bookmark_borderWES4.0 – Mobiles Lernen mit Tablets: Eindrücke von Tag 2

Manchmal ist an Tag 2 einer solchen Tagung die Luft raus, dieses Mal hatte man das Gefühl, dass es durch die insgesamt entspanntere Haltung noch produktiver wurde als am ersten Tag.

Politischer Keynote-Vortrag

In der Keynote von MdB Saskia Esken erhielt man einen Einblick in die politischen Prozesse auf Bundesebene, auch ob die ominösen 5 Mrd. € von Bildungsministerin Wanka jemals fließen werden (Antwort: erstmal nein). Schon an Tag 1 war zwischen den Zeilen in Gesprächen mit Unternehmensvertretern die Rolle des Bundes und das Kooperationsverbot im Bildungsbereich Thema. Es scheint sich folgendes Muster herauszubilden:

  1. Digitale Endgeräte müssen erst als Lernmittel anerkannt werden.
  2. Die Lernmittelfreiheit wird in manchen Bundesländern gewährt und in manchen nicht.
  3. Die Gleichheit der Lernbedingungen (Lebensverhältnisse) ist so im Bundesländervergleich nicht mehr gewährleistet.
  4. Eine Verfassungsklage könnte hier ein Hebel sein, das Kooperationsverbot auszuhebeln.

Die Einschränkung zum Schluss: Saskia Esken war hier weniger optimistisch bzw. hatte sie diesen Ansatz bisher noch nicht wahrgenommen.

Workshop Jan Hambsch: Modell Individuelle Förderung digital (MIFD)

Bei diesem Modell dachte ich als erstes, genau wie beim SAMR-Modell: Konnte man kein attraktiveres Akronym finden? Jan Hambsch und Tobias Rodermerk haben sich die Mühe gemacht, ein umfassendes Modell zu entwickeln, was von Theorien bzw. Modellen und Teilaspekten der Hattie-Studie ausgehend Apps konkreten Aufgaben zuordnet. Wem dieser Satz jetzt zu abstrakt war, den verweise ich auf das komplexe Rad, das hier in Version 3 zu finden ist.  Es folgte ein Parforceritt durch das Who is Who der Apps, verknüpft mit vielen guten Ideen (Sprachaustausch, Differenzierung, Schreibaufgaben, mündliche Aktivierung etc.). Sogar das inzwischen verpönte Kahoot fehlte nicht. Jan wies darauf hin, das es durchaus auch zur Diagnose dienen kann, ebenso wie viele andere Tools, die sich datenschutzrechtlich in der Grauzone befinden. Aber in eben dieser Zone ist es auch manchmal, „where the magic happens“.

Workshop Sandra Ricker zur Elternarbeit

Hochkompetente aber bescheidene Referentinnen und Referenten bekommen bei solch großen Tagungen manchmal etwas zu wenig Aufmerksamkeit. Sandra Ricker ist eine erfahrene Schulentwicklerin, die schon weit gereist ist und mit den Teilnehmern des Workshops in aller Entspannheit Kriterien erfolgreicher Elternarbeit im Digitalisierungsprozess an Schulen erarbeitete.

Ein einem ersten Schritt ging es darum, die Zielgruppe unserer Elternschaft genauer zu definieren (Wann haben sie Zeit? Welche Kommunikationskanäle gibt es? Welche können geöffnet werden). Im zweiten Schritt berichtete sie von erfolgreichen Strukturen für die Gestaltung verschiedener Formate:

  1. Info-Abend zur Tablet-Einführung (allgemein)
  2. Mediencafé (Offenes Angebot für Eltern)
  3. Klassenspezifische Info-Veranstaltung
  4. Elternsprechtag+ (Präsentation von Medienprodukten durch SuS)

Die Grundstruktur war dabei zunächst wenig überraschend:

  1. Impulsvortrag
  2. Galeriegang oder Beispiele selbst erleben lassen
  3. Diskussion / Aussprache

Gute Beispiele für eine klassenspezifische Info-Veranstaltung waren dabei:

  • Mehrere Vertreter sprechen lassen (mehrere LuL)
  • Schüler sollten eingebunden sein und von Erfahrungen berichten bzw. konkret etwas zeigen; je mehr Schüler desto überzeugender
  • Vorher eingebundene Elternvertreter sollten ggf. mit präsentieren als Agenten der Sache.
  • In technischen Fragen Setzungen vornehmen und nicht diskutieren (aber begründen!)
  • Regelmäßige Kommunikation darüber hinaus über Infobrief/Newsletter (z.B. über QR-Code), ggf. Blog (weniger effektiv)

Die Teilnehmer hatten durchaus schon Erfahrungen mit sehr kritischen Rückfragen bzw. sogar gesprengten Veranstaltungen gemacht. Hier wurde kontrovers diskutiert, aber auch hier ein paar Tipps:

  1. Auf technische Details in der Darstellung verzichten
  2. Technische Methoden zur Beteiligung verwenden (Answergarden, Kahoot, Padlet), damit die Mehrheiten deutlich werden und kritische Stimmen ggf. vereinzelt werden (nicht ignoriert oder geringgeschätzt, aber relativiert)
  3. In eine gesonderte  (bei uns „Forum Schulentwicklung“ genannt) einladen, damit die Detailfragen nicht vor der Elternschaft geklärt werden müssen.

Zum Schluss: Abrunden der Entwicklungsfragen mit Andreas Hofmann

Meine Workshoprunde endete bei einem der Organisatoren, Andreas Hofmann, der seinen Weg der Schulentwicklung in diesem Bereich skizzierte, mit Erfolgserlebnissen, aber auch mit blutigen Nasen und rechtlichen Auseinandersetzungen. Was interessant war: Er gab unumwunden zu, dass sich sein Denken vor allem in den letzten zwei Jahren Twitter durch die Vernetzung gewandelt habe. Sein Ausgangspunkt war: Die Diskrepanz zwischen dem Gerätebesitz Jugendlicher laut JIM-Studie und dem Geräteeinsatz in der Schulrealität kann nicht so bleiben (Kommentar von mir: Schule macht sich hier seit einigen Jahren eigentlich komplett lächerlich vor Jugendlichen).

Folgende Punkte waren ihm im Kern wichtig:

  1. Es braucht Konzepte (keine großen Medienkonzepte, aber eine Vorstellung, wo man hin will).
  2. Die Lehrerausbildung muss sich grundlegend ändern.
  3. Kommunikation und ein Team sind wichtig, damit man sich nicht verkämpft (spricht auch gegen Pilotversuche und „Leuchttürme“)
  4. Der Datenschutz muss den Rahmen bilden. Ich muss wissen, wo er anfängt und endet, damit ich die Möglichkeiten und Grauzonen einschätzen kann.
  5. Die Infrastruktur ist die Grundvoraussetzung für die Arbeit. Hier fehlt es noch häufig an Zuverlässigkeit.
  6. Die Finanzierung sollte in der Breite durch technisches Abspecken (Tablets statt teurer Computer) und Leasing-Modelle kein Problem sein. Soziale Abfederung gehört selbstverständlich dazu.

Alles in allem war das ein spannender, bestärkender und auch anstrengender Tag. Vielen Dank allen Referenten und den Organisatorinnen und Organisatoren an der WES. Das war gelungen! Wann geht es weiter?

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Keynote-Vortrag von Richard Heinen und Katja Anokhina: Schnelle Komplexität

Im Keynote „Schule in einer Gesellschaft im digitalen Wandel“ wurde deutlich, wie sehr derzeit versucht wird, Prinzipien der Software-Entwicklung auf die Schulentwicklung zu übertragen (Stichwort Agilität). Der Versuch einer Strukturierung aller Herausforderungen und Ebenen, die von diesem Prozess betroffen sind, endete in einer sehr komplexen Scheibe, die in einem Pecha Kucha-Format präsentiert wurde, als ob es  noch einer zusätzlichen Herausforderung durch hohe Geschwindigkeit bedurft hätte. Hier wurde auch klar: Die Schulen, die sich im Forum Bildung Digitalisierung (#ForumBD) betätigen, bewegen sich gedanklich schon auf einer ganz anderen Ebene. Was die Veranstalter bewogen hat, einen solch spezifischen Ansatz (der unbedingt durchdenkenswert ist!) als Keynote zu wählen in einem Setting, wo mind. 1/3 Newbies waren, bleibt mir etwas schleierhaft. Hier die von den beiden bereitgestellten Folien; ich freue mich über Erläuterungen des Dargestellten:

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Workshop von Dejan Mihajlovic: Lehrende im digitalen Zeitalter

Dejans Ausgangspunkt waren Veränderungen in der Wirtschaft (Automatisierung, Firma BostonDynamics etc.), um dann darauf zu sprechen zu kommen, dass die gesamtgesellschaftliche Komponente in der Verkürzung auf wirtschaftliche Anforderungen oft zu kurz kommt. Er stellte seine Vorstellung einer zeitgemäßen Bildung auf dieser Basis vor, die eben nicht von der Technik ausgeht, sondern u.a. die veränderten Lernformen in den Vordergrund stellte.

Für manche auf der Tagung ist das eine Elfenbeinturmdiskussion, ich finde sie eben wegen des Arguments des „Framing“ sehr wichtig: Welches Mindset wird abgerufen, wenn wir sagen, wir führen eine „Tabletklasse“ ein? Welche Vorstellung von Unterricht füllt die Ausgestaltung dieser vermeintlichen Revolution? Im schlimmsten Fall, und auch davon habe ich am ersten Tag wieder erfahren, füllen Schülerinnen und Schüler die gleichen Skripte, die sie vorher analog ausgefüllt haben, jetzt digital aus, und das Ganze noch langsamer, weil die günstigen iPads kein Schreiben mit dem Pencil ermöglichen. Und dann stecken wir im SAMR-Modell noch vor der Ebene des S fest.

Man könnte Dejans Vorstellung von Lehrerinnen und Lehrern, die sich permanent und jeden Tag über Social Media vernetzen und fortbilden, als Zumutung bezeichnen, aber die Idee ist richtig: Wir sind Vorbilder im Lernen; unsere Schülerinnen und Schüler sind vernetzt. Sie nutzen diese Fähigkeiten aber nicht für Ihr Privates Lernnetzwerk (PLN) bei schulisch gewünschten Inhalten (durchaus aber im privaten Lernen, wie der Skill-Entwicklung von Fifa18). Der erste Schritt müsste aber sein, Kollegien die Vernetzung beizubringen. Es geht mal wieder um Haltung, und die lässt sich auch im „Analogen“ einüben: Bei der Hospitation und im Austausch mit Schulen, die weiter sind als das eigene Kollegium, bei der Organisation einer Barcamp-Struktur auf Schulebene, angereichert mit externen Experten.

Und sonst so?

Es fällt auf, dass strukturelle Ansätze (wie schaffe ich es, dass sich eine gesamte Schule auf den Weg macht) immer noch zu kurz kommen. Von der reinen Tool-Werkstatt war der erste Tag von #wes4_0 zum Glück weit entfernt, aber ebenso weit auch von Perspektiven für die gesamte Bildungslandschaft. Über den Versuch einer Bildungscloud in Baden-Württemberg wird nicht nur hinter vorgehaltener Hand gelacht. Die Situation mit Logineo in NRW hat wieder gezeigt: Staatliche Lösungen sind in diesem (unterfinanzierten) Bereich immer unterlegen. Es braucht Lizenzierungen für private Angebote (Google Classroom, Office 365) mit klaren datenschutzrechtlichen und finanziellen Vorgaben. Darin sind sich auf fast allen Ebenen alle einig, die Entscheidungen am Ende sehen anders aus.

To be continued…