Menschen begleiten und Lernen ermöglichen – was Lehrkräfte und Schulleitungen verbindet

Wenn ich nach meinem Beruf gefragt werde, dann sage ich seit 3 Jahren nicht mehr: „Lehrer“, sondern „Schulleiter.“ In den ersten zwei Jahren, die vom Pandemie-Management geprägt waren, hatte ich kaum die Gelegenheit, darüber nachzudenken, was mir an diesem Job gefällt. Aber ich wusste, dass es prinzipiell der richtige Schritt für mich war.

Oftmals bekomme ich, wenn ich die Frage nach meinem Beruf beantwortet habe, die Antwort: Das könnte/wollte ich nicht. Oder: Das wäre mir zu viel Verantwortung. Tatsächlich ist es eher genau diese, die diese Aufgabe so anstrengend macht – gepaart mit den zahlreichen Entscheidungen auf den unterschiedlichsten Feldern, oft dazu noch geballt und gleichzeitig. Ich tracke meinen Zeiteinsatz – der zwar phasenweise extrem hoch, im Schnitt aber nicht das Problem ist.

Kollegiale Leitung

Was mir unter anderem an diesem Job gefällt ist die Möglichkeit zu gestalten. Das würden wohl die meisten Schulleitungen unterschreiben. Ich habe selbst meist sehr gut funktionierende Team-Strukturen auf Leitungsebene erleben dürfen, als Lehrer und als Abteilungsleiter, und habe erfahren dürfen, dass kollegiale Leitung, gepaart mit Vertrauen in die Fähigkeiten der Mitarbeitenden, Freiräume gegeben und Kräfte freigesetzt haben, von denen ich sehr stark profitieren durfte.

Diese Strukturen darf ich nun selbst gestalten. Natürlich haben wir daher ein Leitungsteam, bestehend aus 4 Personen: Schulleitung, stellvertretende Schulleitung, Abteilungsleitung, Rektoratsassistenz; und dazu kommt noch ein sehr kompetentes und herzliches Sekretariat. Ohne diese vier anderen Menschen würde die Schule nicht so gut laufen. Sie organisieren, haben mit im Blick, kritisieren und hinterfragen, und entwickeln Ideen. Und mit ihren Talenten ermöglichen Sie es mir, meine Stärken auszuspielen. Ich bin eben nicht nur Verwalter, ich darf Gestalter sein.

… und Entscheider sein

Trotzdem habe ich in den letzten Jahren auch weiter gelernt, wann es darauf ankommt, selbst zu entscheiden und dafür auch gerade zu stehen. Sehr geholfen haben mir zu Beginn die Delegationsstufen in der Darstellung von Bernd Oesterreich und Claudia Schröder (kollegiale-fuehrung.de), auf die mich Wibke Tiedmann gebracht hat. Für viele Bereich kann man so im Vorhinein festlegen, wie die Entscheidung fallen sollte, welche Kreise es dafür braucht.

Menschen begleiten – Lernen ermöglichen

Gestalten, im Team arbeiten und Entscheidungen treffen sind interessante und wichtige Bereiche von Führung. Aber am meisten Freude bereitet mir wohl etwas, das ich auch schon als Lehrer für meine Arbeit im Fokus hatte: Menschen in ihrer Entwicklung zu begleiten. Schülerinnen und Schülern, die eigenständig lernen wollen, gebe ich im Unterricht gerne die Gelegenheit dazu, versuche Freiräume zu schaffen, und kann mich daher auch für freie Arbeitsformen begeistern und für agile Unterrichtsstrukturen, die die Interessen der Lernenden als Ausgangspunkt haben.

Ganz ähnlich geht es mir jetzt in der Rolle als Schulleiter: Natürlich haben nicht alle Kolleginnen und Kollegen Entwicklung im Fokus – nicht für sich und nicht für die Schule. Aber viele eben schon. Und diese Menschen sollen die Gelegenheit dazu haben. Wenn jemand

  • eine Fortbildung besuchen,
  • an einer Schule hospitieren,
  • eine neue Aufgabe übernehmen,
  • eine Idee einbringen möchte…
  • (diese Liste ließe sich vermutlich ewig erweitern)

… dann soll er oder sie auch möglichst die Gelegenheit dazu erhalten. Das gilt sogar für privates Engagement, das den eigenen Horizont erweitert und am Ende auch irgendwie der Schule zugute kommt. Denn zufriedene und glückliche Mitarbeitende sind die Basis für eine gute Zusammenarbeit. Ich weiß, dass (Sonder-)Beurlaubungen in solchen Fällen als Energiebooster wieder in der Schule ankommen können.

Grenzen und eigene Begrenztheit

Und natürlich muss man als Lehrer auch immer mal wieder Grenzen setzen – damit man Reibungspunkt für die Entwicklung Jugendlicher sein kann, damit die Gemeinschaft sieht, dass nicht jedes Verhalten akzeptiert werden kann, damit auch soziales Lernen stattfinden kann.

Bei Mitarbeitenden sieht das etwas anders aus, es lassen sich jedoch auch hier Parallelen finden. Wir befinden uns in Deutschland in einem stark reglementierten (Bildungs-)System, in dem bestimmte Pflichten zu beachten sind, von Schulleitung wie von Lehrerinnen und Lehrern. Dies betrifft z. B. die Basics der gemeinsamen Arbeit: Teilnahme an Konferenzen, rechtzeitige Notenabgabe, Einhalten der Vorgaben zur Leistungsmessung, Anmeldung einer außerunterrichtlichen Veranstaltung (damit diese versichert ist), Wahrnehmung von Aufsichten, Eintragung des Unterrichtsstoffs in das Tagebuch (Klassenbuch) uvm.

Kommt ein Kollege oder eine Kollegin einer dieser Aufgaben nicht nach, so wird es schnell unangenehm (und zwar für beide Seiten), denn das Aufzeigen solcher Versäumnisse verläuft selten konfliktfrei und zieht im Zweifel auch rechtliche Konsequenzen nach sich. Gleichzeitig muss eine Leitung – genau wie eine Lehrkraft – auf eine gewisse Eigenständigkeit und Eigenverantwortung der Lehrkräfte setzen, und bei studierten Menschen darf man diese auch erwarten. Und was auch stimmt: Fehler sind menschlich und passieren – es ist der Umgang damit, den man als Leitung vorleben kann, wenn eigene Versäumnisse offengelegt werden und die Verantwortung dafür übernommen wird. Das gelingt mir sicherlich noch nicht immer perfekt.

Und trotzdem – auch diese unangenehmen Aufgaben gefallen mir an der Tätigkeit als Schulleiter. Denn am Ende geht es darum, dass wir gemeinsam Zuverlässigkeit, Freundlichkeit, Fehlerkultur, Begegnung auf Augenhöhe uvm. als Lehrkräfte oder als Leitungen vorleben, damit wir Ähnliches von Schülerinnen und Schülern überhaupt erst erwarten können.

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