… schrieb ich für das Mobile Schule Magazin.
Warum?
Zuhören, (re)agieren, sich hinterfragen, und das auf der Basis von Prinzipien: All das braucht eine Schule, die ernstgenommen werden will.
Hier der Link (Seite 48, ganz am Ende des Heftes)

Herr Förtsch bloggt über die Zukunft der Schule
… schrieb ich für das Mobile Schule Magazin.
Warum?
Zuhören, (re)agieren, sich hinterfragen, und das auf der Basis von Prinzipien: All das braucht eine Schule, die ernstgenommen werden will.
Hier der Link (Seite 48, ganz am Ende des Heftes)
Anlässlich einer aktuellen Studie zur Belastung von Schulleitungen schrieb ich eine aktuelle Einschätzung für das Deutsche Schulportal, hier zu finden.
Ein Besuch bei der deutschen Bildungsdirektion in Südtirol lieferte spannende Einblicke in die Reformfähigkeit des Systems Schule. Vor dem Besuch hatte ich das Bild, dass Schulen und ihre Lehrkräfte vor allem mehr Freiräume brauchen, dann kann sich sowohl die Einzelschule als auch das System als Ganzes weiterentwickeln. Dies lässt sich aus der Erfahrung in Südtirol so nicht bestätigen. Aber von Beginn an…
In Südtirol haben Schulen eine eigene Rechtspersönlichkeit, können also sehr eigenständig handeln und ihr Budget verwalten. Ein zentralisierter Bereich ist jedoch die Personalausstattung. Hier haben die Schulen keine Autonomie. Ein Vorwurf durch die Schulleitungen ist dabei, dass diese Form der Eigenständigkeit zu hoher Verwaltungstätigkeit geführt hat. Wer sehr akribisch alle Anforderungen in diesem Bereich erfüllt, kommt als Leitung zu wenig anderem.
Inklusion ist selbstverständlich. Es gibt eine gemeinsame Schule bis zu Alter von 14 Jahren. Es wird entsprechend differenziert und mit Personal ausgestattet.
Es gibt in der Bildungsdirektion ein “Hashtag-Team”, das Diskussionen und Erkenntnisse, auch aus dem Twitterlehrerzimmer, aufbereitet und in die Fortbildungen einspeist.
Es gibt Rahmenlehrpläne, die wirklich nur einen Rahmen darstellen. Oftmals sind Begriffe wie “Klassenarbeit”, “Prüfung” o.ä. gar nicht mehr aufgeschrieben und die Schule hat eine sehr große Gestaltungsfreiheit.
Und jetzt kommt das Problem: Diese Freiheit schafft in der Praxis (derzeit?) in Südtirol eine große Unsicherheit. Die Freiheiten werden nicht genutzt. “Man” hält sich auf Schulebene lieber an Althergebrachtem fest. Jetzt könnte man meinen, dass für die Veränderung die Ressourcen fehlen. Dem ist aber anscheinend nicht so. Statt dessen gibt es wohl zunehmend Anfragen aus den Schulen im Stile von: “Gibt mir Ressourcen, damit ich möglichst nichts an meinem Unterricht verändern muss.” Die aktuellen Herausforderungen und die fehlende Passung der Unterrichtsgestaltung werden gesehen, was auch zu Überforderungserleben führt. Die Bereitschaft, etwas Grundsätzliches daran zu ändern, ist jedoch geringer ausgeprägt.
Ich habe mir die Frage gestellt, ob es dann an der Zusammensetzung der Kollegien liegt, in denen man es mehrheitlich gewohnt ist, gesagt zu bekommen, was der Rahmen des eigenen Handels ist. Und darauf wird ja auch im Alltag regelmäßig Bezug genommen:
Und gleichzeitig kann man Lehrkräften in dieser Hinsicht vermutlich gar keinen Vorwurf machen. Denn auch Eltern sind strukturkonservativ, erwarten von Schulen, vor allem an den Gymnasien mit dem entsprechenden fachlichen Anspruch, das Arbeiten in bereits bekannten Strukturen. Das Gymnasium lief so gut für sie, hat sie gut auf das Leben vorbereitet. Ihren Kindern kann es also nicht schaden.
Einmal mehr frage ich mich: Was braucht es also, um das System Schule wirklich weiterzuentwickeln? Vielleicht muss der Mut zu Veränderung wirklich vorgelebt werden, von den Kultusverwaltungen ausgehend, nicht die Angst vor Anpassungen, vor Reaktionen auf das echte Leben. Dafür braucht es eine gemeinsame Grundhaltung, dass das System, ebenso wie seine Akteure, dauerhaft lernbereit sein muss, um erfolgreich zu sein. Wo – außer in anderen Ländern – kann man Ansätze dazu sehen? Ich hoffe auf Antworten bei der Konferenz Bildung Digitalisierung 2022.
Aktuell lerne ich eine Sprache in einer Online-Schule. Ich habe jeden Tag eine Lektion, muss 1x pro Woche ein Video aufnehmen und habe alle 7 Tage 50 min Konversation per Videokonferenz. Dazu gibt es eine Vokabel-App. Ein Bekannter, der mir den Tipp zu dieser Online-Schule gab, berichtete, sich innerhalb von 3 Monaten vom Level A1 auf A2 verbessert zu haben. Die Sprachschule kostet ca. 120,- im Monat, was natürlich nicht wenig ist, aber zu den Kosten später mehr.
Nun ein kleines Gedankenexperiment, das mit Feedback zu meinem Tweet startete. Dieser wurde als Marktdenken aufgefasst und dafür kritisiert. Dabei ging es mir darum gar nicht, wohl aber um die Frage der Qualität der Bildungsangebote.
Nehmen wir mal das Beispiel des Französisch-Unterrichts in der Schule (hier könnte auch Englisch, Italienisch, Chinesisch… stehen). Die Kopfpauschale, die den privaten Schulen für Personalkosten zur Verfügung stehen, gibt einen Hinweis darauf, wieviel das Bildungsangebot Sprachunterricht kostet. Gehen wir mal von ca. 6500,- pro Lernendem pro Schuljahr aus. Im G8 gibt es pro Schuljahr ca. 35 Unterrichtsstunden, macht ca. 185,- pro Jahres-Unterrichtsstunde. Für ein 3-4-stündiges Fach stünden demnach ca. 550-750 Euro pro Schuljahr zur Verfügung.
Es ging mir im Ausgangstweet darum, Möglichkeiten zu eruieren, wie das Schulsystem dazu gebracht werden könnte, sich zu bewegen. Eine Variante könnte ja sein, die zu erreichenden sprachlichen Standards festzulegen (bspw. das Niveau B1 am Ende der Mittelstufe), den Weg dorthin aber zu öffnen. So könnte man Bildungsgutscheine (in Höhe von 550-750 Euro) ausgeben, die es den Lernenden ermöglicht, sich ihr eigenes Bildungsangebot zu suchen, das nicht teurer sein darf als das schulische Angebot. So könnte sich jemand entscheiden, den Schultag von Französisch zu entlasten und stattdessen einen Ferienkurs, Abendkurs oder Online-Kurs zu belegen, inklusive Zertifikat am Ende (hier z. B. DELF o.ä.).
Dies könnte die Motivation erhöhen, ein Fach zu “belegen”, das mir nicht liegt, oder aber auch eine Diversifizierung ermöglichen. Eine kleine Schule bietet nur eine zweite Fremdsprache an, belegbar sind aber über die Gutscheine 5-6 verschiedene, z. B. an der VHS oder einem Online-Angebot. Und vielleicht ist ja das schulische Angebot am Ende das interessanteste, und ich habe mich bewusst dafür entschieden…
Für das Deutsche Schulportal schrieb ich zur Effektivität der zahlreichen Corona-Aufholprogramme. Kurzfassung: Zu wenig, zu unflexibel:
Als Schulleiter sieht man die Arbeit, die Lehrerinnen und Lehrer generell, aber besonders in dieser Krisensituation aktuell, leisten, vielleicht mit anderen Augen, als wenn man Teil des Kollegiums ist. Man weiß um die Stärken und Schwächen der Menschen, man erhält oft sehr direkt externes Feedback zur Arbeit der Lehrerinnen und Lehrer, und mit mildem Blick sieht man doch jederzeit den Beitrag, den jeder Einzelne zum Gelingen des Lernens an der Schule beiträgt und beitragen kann, gerade durch die unterschiedlichen Ansätze. Eine kleine Chronologie als Einblick.
Es wird eine neue Plattform an unserer Schule fest eingeführt. Alle Kolleginnen und Kollegen bilden sich für IServ fort: Didaktik des Fernunterrichts, Videokonferenzen kreativ gestalten, Chat, Aufgabenmodul. Das Kollegium beschließt Mindeststandards für den Fernunterricht und macht diese gegenüber Eltern und Schülerinnen und Schülern transparent. Für diese Arbeit kommen fast ausschließlich private Arbeitsgeräte zum Einsatz.
In den kommenden Wochen machen alle Lehrkräfte ihre Arbeit im Präsenzunterricht, obwohl kaum für zusätzliche Sicherheit gesorgt werden konnte. Zu Beginn gilt in Baden-Württemberg die sogenannte “Kohorten-Regelung”, das bedeutet, dass Schülerinnen und Schüler im Klassenzimmer keine Maske tragen. Die Maskenpflicht wird einige Wochen später eingeführt. Zusammen mit den Klassen etablieren die Lehrkräfte ein “Lüftungsregime” (alle 20 min für 3-5 min lüften).
Für die Ausstattung der Schülerinnen und Schüler im Falle eine Lockdowns bestellt die Schule Laptops und Tablets (bei uns insgesamt 78 Geräte, später nochmal 48). Diese Geräte müssen bestellt, eingerichtet und inventarisiert werden, dazu braucht es Leihverträge.
Zwei Pädagogische Tage zum Lernen in der “Kultur der Digitalität”, unter anderem mit Axel Krommer als Referent. Die Kollegien am Bildungszentrum arbeiten einen Tag in Präsenz, und am zweiten Tag wird die Technik der Plattform auf Herz und Nieren geprüft, in dem die Kollegien kollaborativ online diskutieren und weiterentwickeln. Parallel dazu (und damit sehr stressig) findet eine Art Test-Lockdown statt: Gemeinsamer Start mit den Schülerinnen und Schülern am Morgen, Aufgaben über die Plattform.
Vor Weihnachten deutet sich an, dass die Politik der reinen Präsenz der Kultusministerien an ihre Grenzen stößt. Die Schulen wurden auf den nächsten Lockdown in öffentlichen Aussagen nicht vorbereitet. Wer ein bisschen mitdenken kann, der wusste natürlich, dass dies so nicht gutgehen kann. Die Kolleginnen und Kollegen erhalten also noch vor Weihnachten von uns die Info, sich auf Fernunterricht vorzubereiten, damit wir anschließend direkt weiterarbeiten können.
Die Öffentlichkeitsarbeit wird völlig neu aufgestellt. Es braucht Filme, Erklärvideos und -texte, eine virtuelle Schulhaustour, eine neue Powerpoint-Präsentation, ein Team für den digitalen Infonachmittag, der dann gleich 3x angeboten und durch Schülerinnen und Schüler sowie Eltern unterstützt wird.
Der Fernunterricht beginnt mit einem GAU: Die Plattform IServ bricht – wie viele andere auch – in den ersten 2 Tagen fast völlig zusammen, der Server wird überrannt. Es braucht Überwindung von Frust, Gelassenheit im Umgang mit den technischen Schwierigkeiten und den Optimismus, dass wir das hinbekommen werden. Die Schülerinnen und Schüler müssen bei der Stange gehalten werden. Am Ende der zweiten Woche haben sich Routinen gebildet, die sich an den Mindeststandards, die zu Beginn des Schuljahres verabschiedet wurden, orientieren. Es läuft. Die Elternrückmeldungen sind mit überwältigender Mehrheit positiv, die Arbeit im Vorfeld hat sich gelohnt.
Parallel zum Fernunterricht muss die Notbetreuung für die Klassen 1-7 zeitlich mit abgedeckt werden. Dankenswerterweise helfen weitere pädagogische Fachkräfte mit, so dass die Lehrkräfte dies nicht alleine stemmen müssen.
Eine Gruppe arbeitet quasi nebenbei seit Beginn des Schuljahres an dem für den Abruf der Gelder aus dem Digitalpakt vorgeschriebenen Medienentwicklungsplan (MEP). Dafür braucht es Erhebungen, Statistiken, Konzepte und Sitzfleisch.
Je länger die Krise dauert, desto wichtiger wird die Aufgabe, Schülerinnen und Schüler zu begleiten und aufzufangen. Klassenlehrerinnen und Klassenlehrer führen stundenlange Gespräche per Video oder Telefon, kümmern sich auch persönlich um die Kinder, die in die (erweiterte) Notbetreuung kommen. Ab Anfang März werden dann die 5. und 6. Klassen in die Vollpräsenz zurückgeholt (die J1 und die J2 sind bereits im Wechsel in Präsenz), es soll aber auf Abstand geachtet werden. Die Klassen müssen auf zwei Räume verteilt werden. Es entstehen 8 Gruppen, für die 4 Lehrkräfte zur Verfügung stehen. Es braucht zusätzliche “Springer”, um die bislang unbetreuten Gruppen mit zu beaufsichtigen. Neben den Fernunterricht tritt jetzt also der Präsenzunterricht, die Notbetreuung und auch noch die Springertätigkeit.
Im gleichen Monat findet ein digitales Forum Schulentwicklung mit Eltern und Schülerinnen und Schülern statt, in dem die Frage gestellt wird, was wir aus der Lockdown-Situation für die Entwicklung der Schule lernen können. Verschiedene Entwicklungslinien werden aufgezeigt, unter anderem die Frage einer Hybridisierung von Schule nach der Krise.
Noch vor den Osterferien organisieren fast alle Schulen in Deutschland ihre ersten Probetestungen. Fast alle Kolleginnen und Kollegen lassen sich ohne Murren fortbilden für die Begleitung der Corona-Selbsttests durch Schülerinnen und Schüler nach den Ferien. Eine Kollegin erstellt nicht nur das Testkonzept, sondern den gesamten Ablaufplan und den Fortbildungsmarathon.
Ein Ergebnis des oben genannten “Forum Schulentwicklung” ist der Wunsch der Elternschaft, Gemeinschaft wieder zu spüren. Die Klassenlehrerinnen und Klassenlehrer der 5. und 6. Klassen organisieren eine Wanderung zu einem nahegelegenen Berg mit Kreuzweg bei idealen Wetterbedingungen. Außerdem erhält jeder Schüler und jede Schülerin der Schule eine persönlich geschriebene Oster-Karte durch die Klassenlehrerinnen und Klassenlehrer.
Das Kollegium trifft sich außerdem in einem Schulentwicklungsteam, um die freien Arbeitsformen an der Schule weiterzuentwickeln, und zwar 16 von 37 Kolleginnen und Kollegen. Freiwillig. An einem Freitag Nachmittag. Per Video.
Nach den Osterferien werden die ersten Dienstgeräte eintrudeln. Dafür braucht es Fortbildungen, die einige Lehrkräfte anbieten und alle anderen besuchen, um die Datenschutzvorschriften einzuhalten und die korrekte Bedienung sicherzustellen. In den nächsten Monaten wird sich die Hardware in den Klassenzimmern bedingt durch den Digitalpakt deutlich verändern.
Wir wissen, dass Schülerinnen und Schüler am Gymnasium, die in die Präsenz zurückkehren, nur zu einem geringeren Anteil fachliche Defizite aus der Phase des Lockdowns mitbringen werden. Aber die sozial-emotionalen Defizite werden spürbar sein. Dafür braucht es Konzepte, Personal, Kraft.
Vielleicht als kurzes Fazit: Die Osterferien und die damit einhergehende Ruhe sind mehr als verdient.
am 13.10.2020
Liebe Mitfeiernde,
spüren Sie etwas? Spürt Ihr was?
Die Erwartungshaltung im Raum, vielleicht Vorfreude auf das, was an der Schule passieren wird oder gerade passiert oder auch die Sorge darüber, vielleicht auch Langeweile ob der Aussicht auf einen weiteren Redebeitrag, Zufriedenheit, weil ein weiterer Übergang abgeschlossen ist, ein leichtes Unbehagen, dass wir in diesen Zeiten mit so vielen Personen aus verschiedenen Kontexten in einem Raum sitzen, oder auch einfach nur die frische Brise um die Nase vom Durchlüften…
Was haben wir in den vergangenen letzten 7 Monaten seit dem Shutdown im März wegen eines Virus, das die gesamte Gesellschaft betrifft und beschäftigt, nicht alles gespürt?! Da gab es viele Momente der Hektik, der Überforderung, der Angst, aber auch Momente der Ruhe, des In-sich-Hineinspürens, der inneren Einkehr.
Probleme wurden sichtbar, ja, “wie unter einem Brennglas” – übrigens eine der meistzitierten Metaphern dieser Krise. Pflegekräfte und Supermarktkassiererinnen wurden plötzlich als systemrelevant bezeichnet und neu wertgeschätzt, ihre Situation wurde wie unter besagtem Brennglas plötzlich stärker sichtbar, aber haben wir als Gesellschaft auch das Gespür bewiesen, diese Probleme angemessen anzugehen?
Das Wort “Gespür” verweist je nach Wörterbuch einerseits auf die Fähigkeit, einen verborgenen, nicht deutlich sichtbaren Sachverhalt gefühlsmäßig zu erfassen, also auf die Emotion – und andererseits auch auf die Vorahnung, wenn es heißt, das Gespür sei die Fähigkeit, etwas im Voraus zu erfassen, zu erahnen. Das Wort kann sich also auf die Gegenwart und auf die zu gestaltende Zukunft gleichermaßen beziehen.
Etwas spüren – das kann etwas sehr Schönes, etwas Berührendes sein, aber wir verspüren, wir empfinden auch Langeweile, Enttäuschung, Trauer. Gefühle machen uns lebendig, sie sind am Ende das, was wir als Leben bezeichnen. Und wir spüren auch, dass sich gerade in dieser seltsamen Zeit eine Chance auftut für Verwandlung.
Ich weiß nicht, wie viele Artikel es in einer Phase nach dem ersten Schock gab zu Corona als Chance – auf viele wirkten sie aber immer irgendwie unpassend, bauen doch diese Chancen auf dem Risiko für andere Menschen auf.
Dennoch beschreibt der Zukunftsforscher Roger Spindler in seinen Workshops und Vorträgen die Krise als Chance zum Innehalten. Er beschreibt, wie wir nun wahrnehmen, was vorher zum Teil verschüttet war und nun banal klingt: Der Mensch ist ein Teil der Natur, menschliche Beziehungen haben eine große Bedeutung. Gleichzeitig stellt Spindler fest, dass die verordnete Entschleunigung auch zu einer Beschleunigung der Resonanzen geführt hat: Wir haben nun auch “Bewegung” in der Welt (deutlich wird dies zum Beispiel an Bewegungen wie Blacklivesmatter). Das Gespür für das, was sich bewegen sollte, ist deutlich ausgeprägter als in der Prä-Corona-Zeit.
Beim Begriff der Resonanz bezieht sich Spindler augenscheinlich auf den Soziologen Hartmut Rosa, der die Resonanz als etwas beschreibt, das wir spüren:
Die Krise wirkt als Beschleuniger dieser Resonanzen: Corona ist also eine Chance für uns, ein Gespür dafür zu entwickeln, was von dem, was uns zu Menschen macht, noch stärker in Schule zu finden sein sollte. Wir haben die Chance zu begreifen, dass wir Schule in der Krise neu denken, nein, viel besser, verwandeln können. Der Benediktinermönch Anselm Grün verwendet gerne das Wort Verwandlung anstelle des Begriffs der Transformation, weil in der Verwandlung auch das Erhaltenswerte, das Gute, das Alte, enthalten ist, und so seine Wertschätzung erfährt, und gleichzeitig verheißt Verwandlung etwas Wunderbares.
Wenn wir es also schaffen, in der Institution Schule zwischen Schülerinnen und Schülern, Lehrerinnen und Lehrern und Eltern Resonanz entstehen zu lassen, wenn wir Momente der Berührung in Zeiten des “Social Distancing” (meines Erachtens übrigens ein schrecklicher Begriff) schaffen, und wenn wir verstehen, dass wir uns dafür auf eine permanente gemeinsame Spurensuche begeben müssen, dann gelingt uns der Spagat zwischen den Herausforderungen und Anforderungen der Gesellschaft (Zukunft der Demokratie, Klimawandel, grenzenloser Egoismus) und dem Besinnen auf das, was uns Menschen im Kern ausmacht.
Dann geht es am Ende nicht mehr um Inklusion, um Digitalisierung, um Hybrid-Unterricht, um G8 oder G9, sondern wir haben all diese Entwicklungen im Blick, auf Basis eines starken Glaubens (fortiter in fide, wie Bischof Sprolls Leitspruch lautete) und mit einer klaren Haltung, weil die Schülerinnen und Schüler als Menschen im Mittelpunkt unseres Bemühens stehen, und auch wir Lehrerinnen und Lehrer als Spürende, als Menschen, wahrgenommen werden.
(Danksagungen)
Und jedem Anfang wohnt ein Zauber inne,
Der uns beschützt und der uns hilft, zu leben.(Hermann Hesse: Stufen)
Aktuell befinde ich mich in einem Übergang, beruflich wie privat: Neue Region, neue Arbeitsstelle, neue Aufgaben. Und ständig bekommt man das oben genannte Zitat von Hermann Hesse zu hören. Vermutlich soll es Mut machen und dafür sorgen, dass man diesen Übergang erfolgreich gestaltet. Vielleicht ist es auch nur ein Ausdruck der eigenen Hilflosigkeit mit der Situation; damit, dass da jemand ist, der sich mitten in dieser Phase befindet und diese zu gestalten als Aufgabe hat; und man ist vielleicht selbst froh, dies nicht tun zu müssen. Mir selbst kommt es aktuell so vor, als würde dieser Zweizeiler allein der Komplexität des Übergangs nicht gerecht (und das wusste natürlich auch Hermann Hesse, denn sein Gedicht ist deutlich länger).
Es heißt, Rituale seien für die Gestaltung des Übergangs ein sehr wichtiges Mittel. Das Corona-Virus verhindert aktuell einige dieser Rituale. Dazu gehören aktuell auch Umarmungen und die Berührung im einfachen Händedruck als Zeichen der Verabschiedung und der Glückwünsche bzw. Danksagung. Auch Feiern sind aktuell nur sehr eingeschränkt möglich und es fehlt der Zauber des Loslassens.
Der französische Ethnologe Arnold van Gennep hat vor über 100 Jahren bereits zwischen drei Phasen des Übergangs entschieden: Der Ablösungsphase, der Umwandlungsphase und der Wiederangliederungsphase (vgl. Liechti-Genge 2016).
Zu Beginn des Übergangs steht das Lösen vom bisher Gekannten. Und dabei geht es los mit dem Gefühlschaos aus Trauer, vielleicht auch Angst (denn man weiß ja noch nicht, wohin der Weg genau führen wird), aber auch Freude auf das Neue, und genauso Erleichterung darüber, dass man Einiges, das einen auch genervt hat, hinter sich lassen darf. Die Übergabe der vormals ausgeübten Aufgaben ist so ein Moment, indem viele dieser Emotionen parallel an die Oberfläche treten.
Im Französischen gibt es den Begriff des l’entre-deux, dem “Ort dazwischen” (vgl. Liechti-Genge 2016). Die meiste Zeit fühlt sich der Übergang so an: Das Alte ist noch nicht ganz weg, das Neue ist noch nicht ganz da. In der Umwandlung steckt die Einsicht, dass die alten Fähigkeiten und Fertigkeiten und Einsichten im Neuen evtl. nicht mehr funktionieren. Es ist eine Phase der Verunsicherung, aber auch der Neugier und Offenheit, für Impulse, aber auch erneut für die breite Palette an Emotionen.
Kleiner persönlicher Einschub: Es ist wunderbar, wenn Menschen sich entscheiden, diesen Übergang mitzugestalten. Das trifft auf Kolleginnen und Kollegen zu, die sich fest vorgenommen haben, mich an meiner neuen Arbeitsstelle zu besuchen und im Austausch zu bleiben, aber auch und vor allem die Kolleginnen und Kollegen meiner neuen Arbeitsstelle, die die Mühen auf sich genommen haben, mich im Rahmen des Projekts “Zeitgemäß Lernen” an meiner alten Schule zu besuchen und zu verstehen, worin der Kern meiner Arbeit zuletzt bestand. So darf ich ein Stück meiner alten Begeisterung mitnehmen, das Gefühl eines Übergangs mit Geländer kann entstehen. Danke!
Angeblich wird erst in dieser Phase die Tragweite der Veränderung spürbar. Das Einfinden in das Neue kostet viel Kraft, und am Ende kann ein Zustand entstehen, in dem ich im Neuen ankommen kann, die Umwandlung also beendet ist.
Zu Beginn des Übergangs habe ich mir die Frage gestellt, ob ich bereit bin, mir die Aufgabe der Schulleitung “zuzumuten”. In dieser Begrifflichkeit steckt einerseits der Gedanke, von sich selbst etwas zu verlangen, was man ggf. nur schwer leisten oder ertragen kann. Kann man unter solchen Umständen einen solchen Weg überhaupt antreten?
Andererseits ist der Kern eines jeden Übergangs genau in dem Wort Mut zu finden, das sich in der Mitte der Zumutung befindet. Franz Liechti-Genge (ebd.) schreibt dazu unter Bezug auf den Wortursprung des Wortes Courage (frz. coeur): “Mutig sein heisst also, mit dem Herzen dabei zu sein, beherzt das Leben wagen. Das Leben wagen bedeutet eben auch, sich diese Übergänge zuzumuten.”
Wenn Rituale wie in der aktuellen Situation aktuell nur eingeschränkt der Gestaltung des Übergangs dienen, dann muss man sich ggf. einfacherer Formen bedienen, zum Beispiel, in dem man den Übergang als solchen bezeichnet und auch dadurch zelebriert. Vielleicht hilft auch schon das, genau das auszuhalten, was so wichtig ist: l’entre-deux, das Dazwischen.
Dieser Text ist vermutlich in dieser Form entstanden, weil es eine hohe Deckungsmenge zwischen meiner aktuellen persönlichen Erfahrung und der Verwandlung des Schulwesens im Kontext der Kultur der Digitalität und den konkreten Anforderungen im Angesicht der Corona-Krise gibt.
Literatur
Hesse, Hermann: Stufen. Zitiert nach: https://hhesse.de/gedichte/stufen/, abgerufen am 24.07.2020
Liechti-Genge, Franz (2016): Übergänge – wahrnehmen, gestalten, leben. https://www.ebi-zuerich.ch/cm_data/EBI-Uebergaenge-FranzLiechti-Genge.pdf, abgerufen am 24.07.2020
Vor kurzem schrieb Jan Böhmermann folgenden Tweet:
Diesen Tweet könnte man passend zur Veranstaltung „Forum Digitalisierung“ der Evang. Landeskirche Württemberg (#elkwuedigital) erweitern:
“Die Feinde gesellschaftlicher Werte wie Toleranz, Zusammenhalt und Nächstenliebe nutzen das Internet, die (institutionellen) Vertreter ebendieser Werte noch nicht.”
Vor diesem Hintergrund war das „Forum Digitalisierung“ der Evangelischen Landeskirche mit den Keynote-Speakern Dirk von Gehlen von der SZ (Buch: Das Pragmatismusprinzip) und Peter Schreiner, dem Leiter des Comenius-Instituts, eine Veranstaltung, die Hoffnung macht(e).
Endlich wird die Digitalisierung in Kirchenkreisen nicht mehr nur unter dem Aspekt der Gefahren und Probleme diskutiert. Bisher waren Veranstaltungen dieser Art tendenziell eine Ansammlung von Menschen, die beklagen, dass bestimmte Werte in der Gesellschaft verloren gingen und die Kirchen einen Bedeutungsverlust erlitten.
Dirk von Gehlen fragte dann auch anschaulich am Beispiel der deutschen Autoindustrie, die verpasst habe, dass ihr Bereich sich nun hauptsächlich um Software dreht (am Beispiel des Software-Problems „Dieselskandal“), was die „Software“ der Kirchen sei. Dieser Aufruf wurde dankend aufgenommen. Auch Peter Schreiner, Leiter des Comenius-Instituts in Münster, rief dazu auf, die positiven Werte der Digitalisierung wahrzunehmen und gestalten zu wollen.
Sichtbar wurde dies bereits an Verfahren und Methoden (wie z. B. Ethical Design Sprints), aber auch an grundsätzlichen Haltungsfragen. Schulen – und Bildungsinstitutionen insgesamt – werden mehr und mehr als Transmissionsriemen in Fragen der Gestaltung von Gesellschaft wahrgenommen, nicht nur als Empfänger vorgegebener (und teils nicht ausdiskutierter!) gesellschaftlicher Erwartungen. Dirk von Gehlen wies darauf hin, dass Fake News hauptsächlich von Männern über 60 verbreitet würden, die man über Bildungsprozesse nicht mehr erreicht. Es muss also weit vorher die Konfrontation mit anderen Perspektiven als grundlegende Aufgabe von Schule und Gesellschaft geschehen, gleichzeitig Ambiguitätstoleranz und der Umgang mit Graubereichen eingeübt werden. Zentrale Verhandlungszone sind die Bildungsinstitutionen.
Warum gelingt uns dies manchmal in Deutschland nicht so gut? Dirk von Gehlen meint, die aktuelle Nostalgie, die man vor allem in der Medienbranche spürt, rühre daher, dass man in den 90ern noch Geld verdient habe, und sich die Rahmenbedingungen nun grundlegend geändert hätten. Man sei vielleicht im Westen insgesamt zu satt geworden. Übertragen auf den Bildungsbereich geht es sicherlich vielen Lehrerinnen und Lehrern ebenso, dass ihre Kompetenzen gefühlt entwertet werden, und von ihnen eine Reaktion auf den Leitmedien- und damit auch Paradigmenwechsel erwartet wird.
Es bleibt sicherlich die Aufgabe, Menschen in Bildungsinstitutionen zu stärken, Ihnen zu verdeutlichen, dass Ihre Perspektiven sehr wertvoll für auch grundlegend veränderte Lernsettings sein können und auch sein werden. Und dass es gleichzeitig notwendig ist, dass man sich bewegt, damit Schule und auch bestimmte gesellschaftliche Werte, die uns gemeinsam wichtig sind (oder sein sollten?) nicht an Relevanz verlieren.
Packen wir’s an.
Hier geht es übrigens noch zum offiziellen Bericht. Angeblich soll die Vorträge dann in Kürze auch noch als Video geben. Es lohnt sich.
Mal wieder Technik. Bin wieder am Zweifeln, was die beste Ausstattung für ein Klassenzimmer bzw. einen Lernraum ist: Entweder wahnsinnig teuer, wahnsinnig ineffizient, wartungsintensiv oder oder. Basics sind klar: W-Lan, Projektion (de)zentral. Blogbeitrag voller Fragen folgt.
— Matthias Förtsch (@herr_foertsch) February 11, 2020
Wie bereits angekündigt folgt hier ein kurzer Blogbeitrag dazu, warum ich wieder zweifle, was die aktuell angemessene technische Ausstattung ist. Als Antworten auf diesen Tweet unten kamen Bestätigungen, aber es bestätigten sich für mich auch alle Befürchtungen in Bezug auf diese Frage. Warum, versuche ich hier zu erläutern.
Was mir klar ist
Am Anfang steht die Frage, wie Unterricht – oder besser: das Lernen – sich weiterentwickeln (soll). Alle technischen Entscheidungen könnten auf dieser Frage basieren. Aber einfache, funktionierende Lösungen ermöglichen auch neues Denken. Es gibt aber auch einige Basics, wenn man es mit der Weiterentwicklung ernst meint:
Wo ich mir unsicher bin
Warum ich zweifle
Wir haben gerade in den Testräumen folgende Ausstattung:
Diese Installation ist sehr aufwändig, zudem stauben die Beamer durch Kreide im Laufe der Zeit zu. Ich bin mir nicht sicher, ob dieses Modell einfach genug ist (“Was nicht einfach geht, geht einfach nicht”).
Wenn entweder Projektionsfläche oder Whiteboard (kein IWB) an die Seite wandern, hätten wir evtl. eine Struktur, die die Tendenz zur Frontalsitzordnung aufbricht und als Rahmen die Unterrichtsstruktur beeinflussen könnte.
Was meint Ihr?