In den letzten Wochen traf ich zwei ehemalige Schüler. Sie waren offen, freundlich, zufrieden mit ihrem Lebensweg und hochmotiviert. Beide studieren Informatik und stehen kurz vor dem Abschluss. Ich habe mich für sie gefreut. Vor allem, weil ich sie ganz anders in Erinnerung hatte. Beide waren eher zurückhaltend, unsicher, und vor allem unmotiviert, nicht nur in meinem Unterricht.
Ich habe sie unabhängig voneinander gefragt, wann und wodurch sie diesen Wandel vollzogen hätten. Sie sagten, es hätte halt erst später „klick“ gemacht. Sie definierten diesen „Klick“ auf meine Rückfrage als motiviert sein, den eigenen Weg zu suchen. Ich fragte außerdem, was ihnen dabei geholfen habe und bekam zwei Antworten:
- Endlich kann ich meinen eigenen Interessen und Neigungen folgen => Spezialisierung
- An der Uni kann ich keine Fristen versäumen, da gibt es keine zweite Chance => Druck
Nach diesen Gesprächen habe ich mich gefragt, warum es nicht vorher „klick“ machen kann – warum können Schülerinnen und Schüler nicht bereits an der Schule Möglichkeiten finden, ihren Interessen nachzugehen bzw. auch eine Motivation innerhalb des Systems zu entwickeln, nicht rein als Abgrenzung vom System. Was machen wir falsch?
Bei der anschließenden Debatte bei Twitter ist mir klar geworden, dass die meisten Kritiker meiner Frage, was wir falsch machen, von einer Schule ausgehen, die sie selbst kennen, von der sie sich ggf. auch abgrenzen konnten. Das eigene Bild und die Vorstellung der Funktion von Schule spielten in der Bewertung eine wesentliche Rolle. Andere wiederum schoben die Problematik auf das Alter, es habe also entwicklungspsychologische Gründe, dass der „Klick“ später einsetzte . Lehrerinnen und Lehrer sowie Schule nähmen sich dabei zu wichtig und spielten gar keine so große Rolle, wie sie das immer glaubten.
Ich bin überzeugt, dass wir es uns damit zu einfach machen.
Schule muss Räume öffnen, um den eigenen Interessen nachgehen zu können, um sie auch in die Schule einbringen zu können. Das läuft vielleicht unter dem Label „Forschendes Lernen“, aber es geht auch darüber hinaus. Wir versuchen das an unserer Schule mit den sogenannten „LeAs“ (freien Lernangeboten). Diese werden von Lehrerinnen und Lehrern, Schülerinnen und Schülern, Unternehmen, Sportvereinen und Eltern angeboten und bieten ein Spektrum von ca. 150 verschiedenen, vierteljährlich wählbaren Lerngelegenheiten, die Teil der Pflichtstunden sind. In einem Wochenpensum von bis zu 35 Stunden sind diese 2 Stunden pro Woche, die dafür eingeplant sind, nur ein kleines Fenster in Richtung Wahlmöglichkeiten und Freiheit und sicherlich nicht der Weisheit letzter Schluss.
Aber vielleicht ist es auch gar nicht die Aufgabe von Schule, dafür zu sorgen, dass es während der Schulzeit bei jedem „klick“ macht, wie einer der Diskussionsteilnehmer bemerkte, sondern vielmehr dafür zu sorgen, dass es irgendwann einmal „klick“ macht. Aber welche Grundlagen wären das dann?
Und vielleicht muss Schule auch (aber nicht nur!) das System sein, von dem man sich als Jugendlicher abgrenzen will und muss.