bookmark_borderDie Kultusministerien und die KMK werden es nicht schaffen

Bildungsgipfel hier, KMK-Sitzung dort: Alle Arten der Zusammenarbeit zwischen Bildungsverantwortlichen werden nicht dazu führen, dass das deutsche Schulsystem zukunftsfähig aufgestellt wird. Was es stattdessen braucht.

Ein Bildungsgipfelchen mit Effekt

Der gescheiterte „Bildungsgipfel“ zwischen Bund und Ländern in der vergangenen Woche hat wenigstens eine Klarheit gebracht: Die Öffentlichkeit weiß jetzt genau, dass die Situation im deutschen Bildungssystem mehr als verfahren ist. Die Bildungsministerin lädt die Ländervertretungen in Sachen Bildung ein, es folgt eine kurze Debatte zu Zuständigkeiten und Art der Einladung, und dann kommt praktisch niemand. Vielleicht war es angesichts des dünnen Programms des Bildungsgipfels auch kein Verlust, und gerade diese Absagen führten zur größeren Debatte: Wie denn dann? Wie schaffen wir es, das Bildungssystem zukunftsfähig aufzustellen?

Bildungssystem in der Krise

Dass es das braucht, scheint gerade Konsens zu werden, was immerhin als Fortschritt gelten kann: Fast 50.000 Schülerinnen und Schüler jedes Jahr ohne Abschluss, Bildungsungerechtigkeit, viele Kinder Geflüchteter neu im System, Corona-Folgen, Lehrkräftemangel, Inklusionsbemühungen am Anfang… die Liste ließe sich beliebig fortführen.

All dies ist den Kultusministerinnen und -ministern natürlich bewusst – und dennoch verharren sie im Mikromanagement und im Verwalten. Ein weiteres Beispiel dafür ist die Reaktion auf die Mahnung des Bundesverfassungsgerichts, das Abitur in seinen Anforderungen stärker aneinander anzugleichen, damit es beim Hochschulzugang nicht zu ungerecht zugeht. Es dauerte 5 Jahre, bis hier ein – wie üblich – kleinster gemeinsamer Nenner gefunden wurde.

Es ist auch nicht so, dass nicht auf Länderebene versucht wird, kreative Lösungen für die oben genannten und weitere Probleme zu finden. Manches bleibt dabei jedoch im typisch deutschen Zuständigkeitswirrwarr hängen: Der Bund gibt Geld für den Digitalpakt (nach Grundgesetzänderung), die Länder zahlen die Lehrkräfte, die Kommunen statten die Schulen aus und stellen das nicht-lehrende Personal. Außerdem sorgen sie für die Administration bei den Digitalpakt-Geldern.

Auch Lehrerverbände wie GEW, Philologenverband und andere bleiben bei ihren Forderungen auf der Mikroebene oder möchten die Schulstrukturdebatte oder die Frage G8/G9 immer neu aufwärmen. Die zentralen Fragen des Bildungssystems bleiben weitgehend unbeantwortet.

Die Einrichtung eines Nationalen Bildungsrats, der länderübergreifend für Qualitätsstandards an Schulen sorgen sollte, scheiterte bereits 2019, also schon in der Zeit vor der Pandemie, am Widerstand der süddeutschen Länder. Diese Einrichtung hätte nicht nur für gemeinsame Standards sorgen können, sondern im Idealfall auch für eine gemeinsame Vorstellung davon, in welche Richtung sich das Bildungssystem entwickeln könnte.

Bildung ist Chefsache

Und nun? Es wird immer deutlicher, dass es einen Befreiungsschlag braucht. Bildung muss zur Chefsache werden – und zwar auf Bundes- wie auf Länderebene. Die bisher Verantwortlichen sind gescheitert, und zwar über viele Jahre. Wie aber könnte dies gelingen? Zunächst einmal durch die Einsicht, dass es während Corona gelang, eine regelmäßige Konsultation aller Länder-Regierungen mit der Bundesregierung, und zwar auf oberster Ebene, einzurichten. Die Bilder der Videokonferenzen der Ministerpräsidentinnen und -präsidenten und der Kanzlerin bzw. später dem Kanzler sind den meisten wohl noch präsent.

Ein Hearing zur Zukunft der Schule

In parlamentarischen Prozessen gibt es ein Mittel, mit dem sich Abgeordnete in den Fachausschüssen beraten lassen. Dabei werden verschiedene Interessengruppen, Sachverständige und Betroffene gehört und man verschafft sich ein gemeinsames Bild. Wie könnte so etwas aussehen?

Der Bundeskanzler und die Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten laden zu einem Bildungsgipfel ein, der über mehrere Tage geht, und zum Ziel hat, 10 gemeinsame Ziele für eine Bildungsvision zu entwickeln. Diese Ziele bilden dann den Rahmen für das bildungspolitische Handeln und werden auf den unteren Ebenen so operationalisiert, dass sie dann innerhalb von 5 Jahren umsetzbar und überprüfbar sind. Eingeladen werden:

  • Direkt Betroffene: Schülerinnen und Schüler, Lehrerinnen und Lehrer, Eltern, Schulleitungen (vorzugsweise solche, die bereits innovativ arbeiten, zum Beispiel in den Preisträgerschulen des Deutschen Schulpreises oder an Brennpunktschulen)
  • Bildungsforscherinnen und -forscher
  • Ideengeber aus Ländern, die das Bildungsystem bereits weiterentwickelt haben (Australien, Kanada, Singapur…)
  • Weitere Interessenverbände, die die Zukunft der Gesellschaft in den Blick nehmen, aus Wirtschaft, Umwelt…

Lernen ist Chefsache

Die Regierungen aus Bund und Ländern zeigen so, dass sie bereit sind, für die erfolgreiche Steuerung des Bildungssystems selbst zu lernen. Oftmals wird ja gesagt, dass wir in Deutschland kein Erkenntnisproblem hätten, sondern ein Umsetzungsproblem (durch die oben genannte Zuständigkeitsblockade). In einem Hearing würde deutlich, dass es durchaus noch Erkenntnisprobleme gibt. In vielen Bereichen haben wir keine Daten, weil Transparenz und Vergleichbarkeit an der Kultushoheit der Länder kratzen würden (als Beispiel sei der Leistungsstand beim Abitur benannt, hier gibt es keine gemeinsame Grundlage).

Steve Jobs wird nachgesagt, dass er seinem ersten iPhone-Entwicklungsteam seinerzeit verbot, Menschen einzustellen, die bereits vorher an einem (Mobil-)Telefon gearbeitet haben, damit die Transformation in diesen Bereich gelingt. Vielleicht brauchen wir es im Bildungssystem nicht ganz so radikal, aber es könnte einen Versuch wert sein: Versuchen wir es für die Vision mal ohne die Kultusministerinnen und Kultusminister.