bookmark_borderWarum ich Schulentwickler bin: Persönliche Hintergründe zum Buch „Die agile Schule“

Dieser Artikel ist ein sehr persönlicher Kommentar zu unserem gerade erschienenen Buch: Die agile Schule – 10 Leitprinzipien für Schulentwicklung im Zeitalter der Digitalisierung.

 

 

 

Hier ist es bestellbar (aber natürlich auch über die üblichen Kanäle)
Inhaltsverzeichnis
Musterseite zum Leitprinzip: Alles Gute kommt von unten

 

Als ich nach dem Referendariat 2008 voller Tatendrang an das Evangelische Firstwald-Gymnasium in Mössingen wechselte – eine bewusste Entscheidung, angesichts der erlebten Offenheit im Bewerbungsgespräch und in der Gebäudegestaltung – fand ich Strukturen vor, die stark vom Schulleiter Helmut Dreher und vom Abteilungsleiter für Schulentwicklung, Friedemann Stöffler, geprägt waren: Irgendwie wirkten alle so motiviert und voller Tatendrang, so positiv und engagiert und es gab im Kollegium praktisch keine Grüppchenbildung. Wer etwas verbessern wollte, durfte fast immer einen Vorschlag machen oder die Optimierung selbst angehen. 

Besuch von der Schulpreiskommission
Lange Zeit verstand ich nicht, warum diese Grundhaltungen so ausgeprägt waren, auch noch nicht, als ich bereits nach 1,5 Jahren an dieser Schule in den Bereich „Schulentwicklung“ einstieg. Ich wurde zuvor gefragt, ob ich mir das vorstellen könne. Ich war so jung, dass ich den Gehaltssprung (auf A14), der mit dieser Aufgabe verbunden war, rechtlich noch nicht mitmachen konnte. Aber das war mir egal. Es schwante mir zum ersten Mal wohl im Rahmen des Bewerbungsprozesses zum Deutschen Schulpreis 2010, was an dieser Schule gut lief. Gegenüber der Kommission, die uns besuchte, formulierte ich dann auch: „Ich kann mich als junger Kollege hier jederzeit einbringen, Ideen werden wertgeschätzt und gefördert, und es wird darauf vertraut, dass es gelingen wird.“

Kollegialer, aktivierender Führungsstil
Im Laufe der Zeit wurde mir dann bewusst, dass die Art der Führung der Schule eine Schlüsselrolle spielt(e). Diese fußte auf Grundhaltungen, die vom Schulleiter zwar theologisch begründet wurden (Martin Buber: Ich und Du), aber genauso in der modernen Management-Theorie zur agilen Führung vorkommen würden. Gemeint sind die Orientierung am Menschen, die Begegnung auf Augenhöhe nicht nur als Worthülse, das geschenkte Vertrauen, die Bereitschaft zur Delegation auch sehr bedeutsamer Aufgaben, die Betonung der Gemeinsamkeit, die Offenheit für Neues, der Mut zum Risiko und zum Ausprobieren („Prototyping“) uvm.

Es gab und gibt ein Schulleitungsteam, das mit insgesamt sechs Personen für so eine kleine Schule vergleichsweise breit aufgestellt ist; und in diesem Team saßen auch der Abteilungsleiter für Schulentwicklung, Friedemann Stöffler, und später auch ich selbst in der gleichen Rolle.

Schulentwicklung lernen
Von 2009-2014 arbeiteten dann Friedemann und ich gemeinsam und dialogisch als Schulentwickler. Ich habe in dieser Zeit sehr viel lernen dürfen, denn 2010 folgte der Schulpreis für unsere Schule für eben diesen Bereich – Schulentwicklung – und plötzlich war unsere Schule im Fokus der Öffentlichkeit und der anderen Schulen; wir hatten Hospitantinnen und Hospitanten an unserer Schule und besuchten auch selbst regelmäßig andere Schulen für Entwicklungsideen. Andere Menschen sagten uns, was bei uns gut lief, und wir lernten unsererseits viele Schulen kennen.

Auch das Projekt Abitur im eigenen Takt stand sinnbildlich für die bereits erwähnten Haltungen: Man versucht aus Idealismus eine Reform des Bildungswesens auf höchster Ebene (KMK). Die Idee ist, dass Schülerinnen und Schüler selbst entscheiden können, ob sie die Kursstufe in zwei oder drei Jahren absolvieren – und die Leistungen aus drei Jahren sollen dabei anerkannt werden können. Bis heute gibt es zwar einerseits keine offizielle Genehmigung für diese Idee, aber die Reformideen zur Neuen Oberstufe, die Umsetzung freier Lernangebote (LeAs) am Firstwald, das Innovationslabor G-Flex der Deutschen Schulakademie uvm. deuten darauf hin, dass sich Elemente davon im Sinne der Schülerinnen und Schüler dennoch Bahn brechen werden.

Ich persönlich habe im Schullabor zum Projekt Abitur im eigenen Takt gelernt, was es bedeutet, intensiv mit anderen Schulen an pädagogischen Fragen zu arbeiten, was es bedeutet, deutschlandweit Vorträge zu bildungspolitischen Fragen zu halten um seine Ziele zu erreichen, wie größere bundesweite Tagungen organisiert werden und worauf es beim Projektmanagement ankommt, und auch, dass eine Aufgabe nicht immer nur Energie kostet, sondern im Gegenteil auch Energie geben kann, auch wenn sie viel Zeit in Anspruch nimmt.

Leitprinzipien der Schulentwicklung
Für unsere Hospitationsgäste stellte Friedemann Stöffler dann irgendwann einmal eine Liste von Dingen auf, die ihm in Schulentwicklungsprozessen wichtig sind. Viele von diesen Prinzipien haben es jetzt auch in die Aufzählung in unserem Buch geschafft. Ich habe mir diese Liste damals ausgedruckt und direkt neben meinen Schreibtisch gehängt, als ich die Aufgabe als Abteilungsleiter für Schulentwicklung im Jahre 2014 von Friedemann übernahm, der seinerseits danach den Ganztagesbereich an unserer Schule gestaltete. Ich spürte die Verantwortung für diese Nachfolge und es tat gut, von Friedemann zu hören, dass ich mir das erste Jahr nehmen solle, um in dieser neuen Aufgabe anzukommen.

Erste Projekte waren dann auch eher der Nachhaltigkeit gewidmet, z. B. getroffene Entscheidungen des Kollegiums neu zu durchdenken und inhaltliche Struktur aufzubauen. Aber bereits 2015 stand die Schlussklausur des Schuljahres unter dem Motto: „Werkstätten – große und kleine Baustellen angehen“, unser erstes Barcamp an der Schule. Der Einsatz dieser Methode, sicherlich kennengelernt im Twitterlehrerzimmer bzw. ganz konkret über ein EduCamp, zeigte, wie Form und Inhalt, wie die Ideen der Leitprinzipien und die konkrete Arbeitsweise ineinandergreifen können.

Das Projekt „Zeitgemäß Lernen“ und die Leitprinzipien
Im Jahr 2016 startete dann mit einem Kick-Off der Prozess „Zeitgemäß Lernen“, der bis heute zum Ziel hat, den Unterricht, ja die Schule insgesamt, neu und zügiger auszurichten an den Anforderungen der Gesellschaft, aber vor allem Schülerinnen und Schüler zu befähigen, diese nicht nur zu erfüllen, sondern aktiv und mündig mitzugestalten. Dieser Prozess wurde in diesem Blog ausführlich begleitet.

Und auf einmal waren sie alle in der Anwendung, diese Leitprinzipien. Ohne es zu Beginn zu merken wurde der gesamte Schulentwicklungsprozess durch sie organisiert und geprägt; ich hatte sie verinnerlicht, nein, wir hatten sie verinnerlicht: Mein Schulentwicklungspartner Michael Hirscher, der IT-Verantwortliche Philipp Reitter und das gesamte Schulleitungsteam. Schon sehr früh war so klar für uns als Schule, dass wir das Thema „Digitalisierung“ als Schulentwicklungsprozess behandeln würden, nicht als Digitalisierungsprozess. Es war undenkbar geworden, von „Tabletklassen“ zu sprechen (wir haben ja auch keine „Heftklassen“), unreflektiert teure interaktive Whiteboards anzuschaffen (wir haben bis heute kein einziges) oder auch nur diesen Weg als Schule alleine zu gehen, ohne uns mit anderen Schulen auszutauschen oder von ihnen inspirieren zu lassen.

Haben wir auch Fehler im Prozess gemacht? Aber sicher, sehr viele; vor allem haben wir die Leitprinzipien vermutlich manchmal besser nach außen als nach innen kommuniziert.

Dankbarkeit und Inspiration
Für alle diese Erfahrungen bin ich dem Firstwald-Gymnasium mit seinem Träger, seinem Schulleiter Helmut Dreher, seinem ehemaligen Schulentwickler Friedemann Stöffler und dem gesamten Kollegium in all seiner Offenheit für Veränderungen unendlich dankbar. Mit dem Buch „Die agile Schule“ liegt das Fazit dieser fruchtbaren Zusammenarbeit vor, in der Hoffnung, dass die Ideen darin vielen Schulen im deutschsprachigen Raum weiterhelfen mögen, indem sie einerseits neue Wege im Denken aufzeigen, andererseits aber vielleicht auch Reibungen hervorrufen, denn diese erzeugen ja bekanntlich immer Wärme und setzen Energie frei.

Viel Vergnügen bei der Lektüre und viel Erfolg beim Weg hin zu einer (noch) besseren Schule, die den wunderbaren Menschen, die sie besuchen (müssen) gerecht wird.
 

 

 

bookmark_borderKollegien im Austausch (für zeitgemäße Bildung)

Netzwerke für den Austausch von Schulen, sogar ganzer Schulen, gibt es viele, z. B. „Blick über den Zaun“ oder die Aktivitäten der Deutschen Schulakademie. Austausch auf individueller Ebene gibt es innerhalb des Kollegiums, aber auch auf Großevents wie „WES 4.0“ uvm.

Aber was ist, wenn man ein Bild der nötigen Veränderungen im Bildungsbereich entwickeln möchte? Wenn man dazu größere Teile des Kollegiums mitnehmen möchte? Wenn es dann auch um Haltungen geht?

 

Zwei Gymnasien kooperieren

Wir haben uns aufgemacht und uns mit einer Schule verabredet, die seit mehreren Jahren bereits mit Tablets im Unterricht arbeitet. Die Hälfte der Klassen dieser Schule hat diese Technik zur Verfügung, die andere nicht (Kleine Randbemerkung: Ich vermeide den Begriff „Tabletklasse“, weil wir 1. auch nicht von „Heftklassen“ sprechen und 2. die Reduktion auf die Technik genau unser Problem in den aktuellen Debatten ist). Wir arbeiten im Projekt „Zeitgemäß Lernen“ mit 1:1 Ausstattung. Insgesamt 18 Kolleginnen und Kollegen waren in ihrer Freizeit bei unserem Treffen.

Die jeweiligen Projektleiter/innen der beiden Schulen waren sich schnell einig, dass wir für diesen Kick-Off-Tag folgende Struktur brauchen:

  1. Gemeinsames Essen zu Beginn
  2. Kurze Einführung (Überblick über Konzeptionen)
  3. Lange eingeständige Arbeitsphase in Fachgruppen
  4. Kurzes gemeinsames Fazit

Es fehlten krankheitsbedingt einige Technik-Freaks auf beiden Seiten, was für das Treffen vielleicht sogar hilfreich war. Es ging viel um pädagogische Fragestellungen, aber nicht im Sinne von „Pädagogik vor Technik“, sondern im Sinne von: „Schule neu denken“.

 

Erkenntnisse bzw. Bestätigungen bisheriger Gedanken aus dem Treffen

  • Wir müssen für eine neue Lernkultur Räume neu denken
  • Gute Schülerinnen und Schüler nutzen die Chancen der neuen Technologien um sich zu verbessern, und das auch über die klassischen Unterrichtsziele hinaus. Die Schere in der Leistung geht aber dadurch auch weiter auf. Wie unterstützen wir leistungsschwächere Schülerinnen und Schüler, damit dies nicht passiert?
  • Fremdsprachen als Fächer werden aufgebrochen durch die Möglichkeiten der Algorithmen von DeepL. Viele offene (wünschenswerte) Prüfungsformate funktionieren nicht mehr. Die Fremdsprachen entwickeln hin zu Fächern, die auf Lebenspraxis und Kulturvermittlung mehr wert legen.
  • Unter den Rahmenbedingungen der Digitalität wird Pädagogik neu gedacht. Der Schwerpunkt liegt häufiger auf offenem Arbeiten (z. B. Portfolio-Arbeit). Dabei gibt es Ängste bzw. fehlendes Vertrauen in die Ergebnisse, gerade im Vergleich zur klassischen Unterrichtsstruktur. Wie schulen wir Verantwortung, wie gehen wir mit den Bedenken in Kollegien um?

 

Wir haben uns vorgenommen, uns in großer Runde wieder zu treffen, und zwar unter einem Themenschwerpunkt (voraussichtlich „Selbstorganisiertes Lernen“)

 

 

 

bookmark_borderSession zum Fach „Mensch und Medien“ beim Barcamp Bad Wildbad (Juni 2019)

Das Land Baden-Württemberg tut was für innovative Menschen im Bildungssystem. Im halbjährlichen Takt wird an der Landesakademie Bad Wildbad ein Barcamp angeboten, zu dem namhafte Referenten eingeladen werden (dieses Mal Philippe Wampfler und Marina Weisband). Das nächste Barcamp findet übrigens am 13.-15.12.2019 statt, wer es sich vormerken möchte.

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Darstellung von Wibke Tiedmann

Die Nachlese ist bei Twitter unter #wildcampen19 möglich, aber auch über ein Padlet.

 

Unser Beitrag war dieses Mal die Vorstellung unseres Profilfachs „Mensch und Medien„, 2004 als Profilfach eingeführt (mit vom Kultusministerium genehmigten Bildungsplan) und als Alternativangebot zu Naturwissenschaft und Technik (NwT) gedacht. Der Bildungsplan und weitere Infos sind unter der Verlinkung oben abrufbar. Ein Profilfach ist prinzipiell ein Fach, das nicht von allen Schülerinnen und Schülern gewählt wird, sondern als Vertiefung angeboten wird, bei uns mit je 3 Std. wöchentlich in den Klassen 7-10.

 

Das Fach Mensch und Medien

Das Fach ist so aufgebaut, dass in jeder Klassenstufe 5 Dimensionen zum Tragen kommen:

  1. Technik
  2. Hören und hörbar machen (Radio, Hörspiel, Podcast)
  3. Sehen und sichtbar machen: Video und Bild
  4. Text und Layout
  5. Kommunikation
  6. In Klasse 10 zusätzlich: Vernetztes Arbeiten und Anwenden

2004 waren die klassischen Massenmedien natürlich auch hauptsächlicher Teil des Medienbegriffs, es gab noch kein Facebook und kein iPhone. Im Laufe der Zeit wurde das Curriculum daher auch immer weiter ergänzt bzw. erneuert und immer mit aktuellen Beispielen verknüpft. Phänomene wie die Böhmermann-Affäre, Social Bots, Echokammer, Fake News, Cyberüberwachung, KI, Cyber-Mobbing oder Memes werden tagesaktuell eingebaut.

Folgender Absatz sinngemäß aus einer Beschreibung eines Kollegen: Da es aber auch das Ziel des Fachs ist, die „Schülerpersönlichkeit so zu stärken, dass daraus eine intelligente Nutzung der Medien zum Wohle der Menschen und in Verantwortung für unsere Welt wahrgenommen werden kann“, kann es auch das Gebot sein, eben nicht immer am Puls der Zeit zu sein, sondern manchmal einfach auch ganz althergebracht Recherche zu erlernen, um Fake News zu erkennen und selbst keine zu produzieren; Memes in einen größeren kulturgeschichtlichen Rahmen (Emblemata) einzuordnen und sie dann bewusst (!) mit eigenen Bildern oder Videos einzusetzen; die realen zerstörerischen Auswirkungen des Cybermobbing darzulegen und eine echte Auseinandersetzung damit zu führen – Beziehungsarbeit kommt vor Technologie.

 

Was müssen alle wissen, was leistet das Profil?

Wir kamen im Rahmen unseres Projekts „Zeitgemäß Lernen“, das das Lernen und die Unterrichtsentwicklung in Zeiten der Kultur der Digitalität in den Blick nimmt, an den Punkt die Frage zu stellen, bis zu welchem Grad die Inhalte und Methoden unseres Profilfachs für alle Schülerinnen und Schüler relevant geworden sind und worin die Neuausrichtung dieses Fachs dann besteht.

 

Ergebnisse der Session

In der Session beim Barcamp in Bad Wildbad kamen auf dieser Basis folgende Fragen und Ideen auf (unsortiert):

  • Könnte es ein neues Ziel des Fachs sein, die Kultur der Digitalität wirklich zu durchdringen und dann mithilfe von Zertifikaten Medienscouts auszubilden, die in die Schule hineinwirken?
  • Professionalisierungsgrad neu denken: Wenn die Qualität einer Video/Ton/Bild-Aufnahme nicht mehr das entscheidende Kriterium in der vernetzten Welt ist, sondern die Verbreitung/Vernetzung, sind dann diese alten Ansprüche an Videoschnitt etc. noch notwendig?
  • Könnte es sinnvoll sein, auch in der Produktion einen Vergleich vorzunehmen zwischen den beiden Paradigmen: Video für das TV vs. Video für das Netz?
  • Welche Rolle spielen bisher implizite vs. explizite Kommunikation in sozialen Netzwerken wie Instagram oder bei Snapchat (Stichworte: Codierungen in Bildern, Ghosting uvm.)
  • Sollte man die Erstellung einer Internetseite noch erlernen? Oder ist diese Fähigkeit inzwischen weitgehend irrelevant für die Zielsetzungen des Fachs?
  • Wie kann die Öffnung in Richtung Kommune, aber auch global (vgl. Keynote von Marina Weisband) besser gelingen? Dieses Fach hätte die zeitlichen Ressourcen dafür.
  • Wie viel Arbeit noch mit Texten in einer „Post-Text-Gesellschaft“?
  • Welche Rolle können die Schülerinnen und Schüler in der Professionalisierung dieses Fachs spielen? Wie erfolgt die Verknüpfung von aktuellem technischen Know-How (eher Schülerinnen und Schüler) und der reflexiven bzw. historischen Ebene (eher Lehrerinnen und Lehrer)?

 

Vielen Dank an die Teilnehmer der Session, vor allem an Adriane.

 

 

bookmark_borderWarum Widerstand Wertschätzung erfahren muss…

… versuche ich in meiner aktuellen Kolumne zur Schulentwicklung beim „Deutschen Schulportal“ darzustellen. Bei Twitter warf mir jemand vor, ich ginge von einer Schule aus, die Lust habe sich zu bewegen. Es gäbe aber auch (sinngemäß) tote Systeme. Dazu bleibt nur zu sagen:

Man kann gegen den Wind segeln, aber nicht ohne Wind.

Wie Bewegung in ein solches System kommt, wird an anderer Stelle zu beschreiben sein.

 

bookmark_borderWenn es „klick“ macht

 

In den letzten Wochen traf ich zwei ehemalige Schüler. Sie waren offen, freundlich, zufrieden mit ihrem Lebensweg und hochmotiviert. Beide studieren Informatik und stehen kurz vor dem Abschluss. Ich habe mich für sie gefreut. Vor allem, weil ich sie ganz anders in Erinnerung hatte. Beide waren eher zurückhaltend, unsicher, und vor allem unmotiviert, nicht nur in meinem Unterricht.

Ich habe sie unabhängig voneinander gefragt, wann und wodurch sie diesen Wandel vollzogen hätten. Sie sagten, es hätte halt erst später „klick“ gemacht. Sie definierten diesen „Klick“ auf meine Rückfrage als motiviert sein, den eigenen Weg zu suchen. Ich fragte außerdem, was ihnen dabei geholfen habe und bekam zwei Antworten:

  1. Endlich kann ich meinen eigenen Interessen und Neigungen folgen => Spezialisierung
  2. An der Uni kann ich keine Fristen versäumen, da gibt es keine zweite Chance => Druck

Nach diesen Gesprächen habe ich mich gefragt, warum es nicht vorher „klick“ machen kann – warum können Schülerinnen und Schüler nicht bereits an der Schule Möglichkeiten finden, ihren Interessen nachzugehen bzw. auch eine Motivation innerhalb des Systems zu entwickeln, nicht rein als Abgrenzung vom System. Was machen wir falsch?

Bei der anschließenden Debatte bei Twitter ist mir klar geworden, dass die meisten Kritiker meiner Frage, was wir falsch machen, von einer Schule ausgehen, die sie selbst kennen, von der sie sich ggf. auch abgrenzen konnten. Das eigene Bild und die Vorstellung der Funktion von Schule spielten in der Bewertung eine wesentliche Rolle. Andere wiederum schoben die Problematik auf das Alter, es habe also entwicklungspsychologische Gründe, dass der „Klick“ später einsetzte . Lehrerinnen und Lehrer sowie Schule nähmen sich dabei zu wichtig und spielten gar keine so große Rolle, wie sie das immer glaubten.

Ich bin überzeugt, dass wir es uns damit zu einfach machen.

Schule muss Räume öffnen, um den eigenen Interessen nachgehen zu können, um sie auch in die Schule einbringen zu können. Das läuft vielleicht unter dem Label „Forschendes Lernen“, aber es geht auch darüber hinaus. Wir versuchen das an unserer Schule mit den sogenannten „LeAs“ (freien Lernangeboten). Diese werden von Lehrerinnen und Lehrern, Schülerinnen und Schülern, Unternehmen, Sportvereinen und Eltern angeboten und bieten ein Spektrum von ca. 150 verschiedenen, vierteljährlich wählbaren Lerngelegenheiten, die Teil der Pflichtstunden sind. In einem Wochenpensum von bis zu 35 Stunden sind diese 2 Stunden pro Woche, die dafür eingeplant sind, nur ein kleines Fenster in Richtung Wahlmöglichkeiten und Freiheit und sicherlich nicht der Weisheit letzter Schluss.

Aber vielleicht ist es auch gar nicht die Aufgabe von Schule, dafür zu sorgen, dass es während der Schulzeit bei jedem „klick“ macht, wie einer der Diskussionsteilnehmer bemerkte, sondern vielmehr dafür zu sorgen, dass es irgendwann einmal „klick“ macht. Aber welche Grundlagen wären das dann?

Und vielleicht muss Schule auch (aber nicht nur!) das System sein, von dem man sich als Jugendlicher abgrenzen will und muss.