bookmark_borderZuversicht in Zeiten der Unsicherheit

Seit längerer Zeit habe ich hier nicht mehr geschrieben. Schreiben ist Nachdenken. Dazu blieb wenig Zeit in den letzten 12 Monaten. Manchmal hilft dann ein anderes Medium, also ein Podcast. Nein, ich habe keinen weiteren Bildungspodcast gestartet, sondern war zu Gast bei Michael Carl, mit dem ein spannendes Gespräch entstanden ist, das auch mir selbst mein Reflektieren sehr geholfen hat.

Das zentrale Thema an Schulen und für Schule ist für mich gerade die Frage der Zuversicht, der Lust auf Gestaltung (meines Umfelds, der Gesellschaft…).

Ich hoffe, Ihr habt ebenfalls Freude daran.

Hier ist der Link.

bookmark_borderZeigt die Tagung „Mobile Schule 2023“, dass wir Schule fit für die Zukunft machen werden?

Hannover, 4.-5. September 2023. Die Sonne scheint, die Halle des HCC ist gut gefüllt mit Ständen wie bei der Didacta oder der Learntec (etwas ausgewählter allerdings). Außen herum sind aufblasbare Boxen für die Workshops (die mit ihrer Ausleuchtung ein wenig an die Allianz-Arena erinnern), es gibt Ohrhörer, Sender und Empfänger für die lauten Bereiche, um für die Inhalte dem Messetrubel zu entkommen. Laut Veranstalter sollten sich hier 1000 Menschen begegnen.

Was fällt auf? Es sind viele Trägervertretungen unterwegs, zudem Menschen mit internationalem Hintergrund, die das Interesse haben, etwas für das deutsche Schulsystem zu tun, vielleicht: etwas zurückzugeben. Die Stimmung ist wohlwollend, konstruktiv, und man kann bei den Teilnehmerinnen und Teilnehmern der Workshops mehr Wissen und Fähigkeiten voraussetzen.

KI überall

Wo man auch hinschaut: Das Thema Künstliche Intelligenz spielt fast überall eine Rolle:

  • KI in der beruflichen Bildung
  • Wie werden SuS KI-kompetent?
  • KI-Werkstatt
  • KI im Gesellschaftsunterricht
  • Deutsche Bildungslandschaft: Von Standardisierung bis KI
  • KI – was nun passieren muss
  • Kann KI den Planeten retten? BNE mit dem KI-Campus
  • Alternative, digitale Prüfungen mit KI
  • usw.

Wieder einmal wird die Revolution von Schule ausgerufen, könnte man meinen. Aber dem ist nicht so. Alle beäugen neugierig, wissen noch nicht so recht, tasten sich heran. Informatiker, die an Schulen arbeiten, erzählen beim Tagungsfest am Abend inoffiziell, dass sie bleich wurden, als sie zum ersten Mal ChatGPT nutzten, und danach hätten sie 3 Tage nichts anderes gemacht als mit Prompts zu versuchen, die Fähigkeiten dieser KI auszutesten. Mich beunruhigt es, oder zumindest beschäftigt es mich, wenn selbst ausgewiesene Experten feststellen, dass sie mit der Entwicklung nicht Schritt halten können.

Need for speed?

Wie soll Schule da mithalten? Muss sie das überhaupt? Antworten liefern vielleicht Strukturen wie die Erfahrungen von Thomas Lange aus 30 Jahren in England, wo er als Head of Digital zahlreiche Schulen durch die englischen Digitalpakt-Verfahren gelotst hat. Seine Pedtech-Map, inklusive Analyse der nächsten ToDos, mag Schulen vielleicht ein wenig bei der Gestaltung der Hardware und beim Fitmachen der Kollegien für die technischen Erfordernisse helfen.

Dazu kommen noch Schulentwicklungsstrukturen, die die Offenheit besitzen, neue Entwicklungen konstruktiv aufzugreifen und positiv anzugehen. Oder, um es in den Worten der Engländer zu sagen:

Experience is what you get when you don‘t get what you want.

Die Workshops zu agiler Unterrichtsentwicklung (z. B. von Niels Winkelmann oder Ruth Stocker) waren sehr gut besucht. Mein eigener Beitrag bestand darin, Elemente „brauchbarer Illegalität“ beim Handeln auf Schulebene herauszuarbeiten, um bei (zu) langsamer Kultusverwaltung als Schule trotzdem den Anforderungen der heutigen Zeit gerecht werden zu können, durch die Ausweitung der Grauzone und das Austesten kreativer Lösungen.

Unternehmen sind weiter

Wenig überraschend sind Unternehmen in der Nutzung adaptiver Lernsysteme weiter als die Schulen. Sicher stellen diese nicht die Revolution von Schule dar, aber sie versetzen vielleicht Lehrkräfte in die Lage, die wirklich wichtigen Aufgaben von Schule stärker in den Blick zu nehmen, weil diese nicht mehr endlos Zeit für die Korrektur und Begleitung des Aufbaus von Basiswissen und Basiskompetenzen benötigen. Ein spannendes System ist dabei „Area 9 Lyceum“, ein System, dem für den schulischen Einsatz noch der Content fehlt. Die Zusammenarbeit zwischen innovativer Tech-Branche und den traditionellen Content-Lieferanten (auch im Sinne von didaktisch gut aufbereitetem Material) scheitert oft noch. Dieses System basiert prinzipiell auf Fadels „Vier Dimensionen der Bildung“. Fadel sitzt auch selbst im Advisory Board. Wenn ich das richtig verstanden habe, gelingt es dem Algorithmus (eine Form der gezielt begrenzten KI für bessere Ergebnisse), Lernpfade zu verknüpfen, was gegenüber anderen adaptiven Lernsystemen (zum Beispiel im Bereich Mathematik), die hauptsächlich einen linearen Lernweg verfolgten, ein Durchbruch sei.

Wer ist mutig?

Manchmal möchte ich wissen, was möglich wäre, wenn ein technisches System zum adaptiven Lernen sich durchsetzte, die Verlage mit ihrem guten Content andocken könnten, Schulen vom Ballast der Vermittlung und Testung von Basiswissen vielleicht nicht ganz befreit würden, aber dennoch etwas entlastet. Und dann könnten Lehrkräfte auf dieser Basis mit Schülerinnen und Schülern spannende, kreative Projekte angehen, die die 21st century skills fördern, sie könnten Erlebnisse schaffen, Orientierung geben, begleiten, Lust machen auf Lernen, und so viel mehr von dem, für das wir Lehrkräfte geworden sind. Mit, aber auch ohne Technik. Weil es um die Menschen geht.

Was bleibt also?

Ja, was bleibt also von dieser Tagung Mobile Schule 2023? Ein fantastisches, zugewandtes Orga-Team, das alle Voraussetzungen dafür schafft, dass sich Menschen aus Kultusverwaltungen, Tech-Branche, Verlagen, Wissenschaft und Praxis begegnen können. Die Hoffnung, dass es in diesem Land ausreichend Menschen gibt, die nicht erstarren, wenn neue Entwicklungen wahrgenommen und gestaltet werden wollen. Die Gewissheit, dass sich Schule (in Deutschland) nur sehr langsam bewegen wird, aber dass es schon jetzt ausreichend Mutige gibt, die losgelaufen sind. Das gibt mir Kraft.

(Kleine Anekdote am Rande: Auf dem Rückweg des Empfangs am Vorabend zur Tagung kamen wir an diesem „abgestürzten“ Werbeschild vorbei, Bios-Version 1997-2000)

bookmark_borderMenschen begleiten und Lernen ermöglichen – was Lehrkräfte und Schulleitungen verbindet

Wenn ich nach meinem Beruf gefragt werde, dann sage ich seit 3 Jahren nicht mehr: „Lehrer“, sondern „Schulleiter.“ In den ersten zwei Jahren, die vom Pandemie-Management geprägt waren, hatte ich kaum die Gelegenheit, darüber nachzudenken, was mir an diesem Job gefällt. Aber ich wusste, dass es prinzipiell der richtige Schritt für mich war.

Oftmals bekomme ich, wenn ich die Frage nach meinem Beruf beantwortet habe, die Antwort: Das könnte/wollte ich nicht. Oder: Das wäre mir zu viel Verantwortung. Tatsächlich ist es eher genau diese, die diese Aufgabe so anstrengend macht – gepaart mit den zahlreichen Entscheidungen auf den unterschiedlichsten Feldern, oft dazu noch geballt und gleichzeitig. Ich tracke meinen Zeiteinsatz – der zwar phasenweise extrem hoch, im Schnitt aber nicht das Problem ist.

Kollegiale Leitung

Was mir unter anderem an diesem Job gefällt ist die Möglichkeit zu gestalten. Das würden wohl die meisten Schulleitungen unterschreiben. Ich habe selbst meist sehr gut funktionierende Team-Strukturen auf Leitungsebene erleben dürfen, als Lehrer und als Abteilungsleiter, und habe erfahren dürfen, dass kollegiale Leitung, gepaart mit Vertrauen in die Fähigkeiten der Mitarbeitenden, Freiräume gegeben und Kräfte freigesetzt haben, von denen ich sehr stark profitieren durfte.

Diese Strukturen darf ich nun selbst gestalten. Natürlich haben wir daher ein Leitungsteam, bestehend aus 4 Personen: Schulleitung, stellvertretende Schulleitung, Abteilungsleitung, Rektoratsassistenz; und dazu kommt noch ein sehr kompetentes und herzliches Sekretariat. Ohne diese vier anderen Menschen würde die Schule nicht so gut laufen. Sie organisieren, haben mit im Blick, kritisieren und hinterfragen, und entwickeln Ideen. Und mit ihren Talenten ermöglichen Sie es mir, meine Stärken auszuspielen. Ich bin eben nicht nur Verwalter, ich darf Gestalter sein.

… und Entscheider sein

Trotzdem habe ich in den letzten Jahren auch weiter gelernt, wann es darauf ankommt, selbst zu entscheiden und dafür auch gerade zu stehen. Sehr geholfen haben mir zu Beginn die Delegationsstufen in der Darstellung von Bernd Oesterreich und Claudia Schröder (kollegiale-fuehrung.de), auf die mich Wibke Tiedmann gebracht hat. Für viele Bereich kann man so im Vorhinein festlegen, wie die Entscheidung fallen sollte, welche Kreise es dafür braucht.

Menschen begleiten – Lernen ermöglichen

Gestalten, im Team arbeiten und Entscheidungen treffen sind interessante und wichtige Bereiche von Führung. Aber am meisten Freude bereitet mir wohl etwas, das ich auch schon als Lehrer für meine Arbeit im Fokus hatte: Menschen in ihrer Entwicklung zu begleiten. Schülerinnen und Schülern, die eigenständig lernen wollen, gebe ich im Unterricht gerne die Gelegenheit dazu, versuche Freiräume zu schaffen, und kann mich daher auch für freie Arbeitsformen begeistern und für agile Unterrichtsstrukturen, die die Interessen der Lernenden als Ausgangspunkt haben.

Ganz ähnlich geht es mir jetzt in der Rolle als Schulleiter: Natürlich haben nicht alle Kolleginnen und Kollegen Entwicklung im Fokus – nicht für sich und nicht für die Schule. Aber viele eben schon. Und diese Menschen sollen die Gelegenheit dazu haben. Wenn jemand

  • eine Fortbildung besuchen,
  • an einer Schule hospitieren,
  • eine neue Aufgabe übernehmen,
  • eine Idee einbringen möchte…
  • (diese Liste ließe sich vermutlich ewig erweitern)

… dann soll er oder sie auch möglichst die Gelegenheit dazu erhalten. Das gilt sogar für privates Engagement, das den eigenen Horizont erweitert und am Ende auch irgendwie der Schule zugute kommt. Denn zufriedene und glückliche Mitarbeitende sind die Basis für eine gute Zusammenarbeit. Ich weiß, dass (Sonder-)Beurlaubungen in solchen Fällen als Energiebooster wieder in der Schule ankommen können.

Grenzen und eigene Begrenztheit

Und natürlich muss man als Lehrer auch immer mal wieder Grenzen setzen – damit man Reibungspunkt für die Entwicklung Jugendlicher sein kann, damit die Gemeinschaft sieht, dass nicht jedes Verhalten akzeptiert werden kann, damit auch soziales Lernen stattfinden kann.

Bei Mitarbeitenden sieht das etwas anders aus, es lassen sich jedoch auch hier Parallelen finden. Wir befinden uns in Deutschland in einem stark reglementierten (Bildungs-)System, in dem bestimmte Pflichten zu beachten sind, von Schulleitung wie von Lehrerinnen und Lehrern. Dies betrifft z. B. die Basics der gemeinsamen Arbeit: Teilnahme an Konferenzen, rechtzeitige Notenabgabe, Einhalten der Vorgaben zur Leistungsmessung, Anmeldung einer außerunterrichtlichen Veranstaltung (damit diese versichert ist), Wahrnehmung von Aufsichten, Eintragung des Unterrichtsstoffs in das Tagebuch (Klassenbuch) uvm.

Kommt ein Kollege oder eine Kollegin einer dieser Aufgaben nicht nach, so wird es schnell unangenehm (und zwar für beide Seiten), denn das Aufzeigen solcher Versäumnisse verläuft selten konfliktfrei und zieht im Zweifel auch rechtliche Konsequenzen nach sich. Gleichzeitig muss eine Leitung – genau wie eine Lehrkraft – auf eine gewisse Eigenständigkeit und Eigenverantwortung der Lehrkräfte setzen, und bei studierten Menschen darf man diese auch erwarten. Und was auch stimmt: Fehler sind menschlich und passieren – es ist der Umgang damit, den man als Leitung vorleben kann, wenn eigene Versäumnisse offengelegt werden und die Verantwortung dafür übernommen wird. Das gelingt mir sicherlich noch nicht immer perfekt.

Und trotzdem – auch diese unangenehmen Aufgaben gefallen mir an der Tätigkeit als Schulleiter. Denn am Ende geht es darum, dass wir gemeinsam Zuverlässigkeit, Freundlichkeit, Fehlerkultur, Begegnung auf Augenhöhe uvm. als Lehrkräfte oder als Leitungen vorleben, damit wir Ähnliches von Schülerinnen und Schülern überhaupt erst erwarten können.

bookmark_borderDie Kultusministerien und die KMK werden es nicht schaffen

Bildungsgipfel hier, KMK-Sitzung dort: Alle Arten der Zusammenarbeit zwischen Bildungsverantwortlichen werden nicht dazu führen, dass das deutsche Schulsystem zukunftsfähig aufgestellt wird. Was es stattdessen braucht.

Ein Bildungsgipfelchen mit Effekt

Der gescheiterte „Bildungsgipfel“ zwischen Bund und Ländern in der vergangenen Woche hat wenigstens eine Klarheit gebracht: Die Öffentlichkeit weiß jetzt genau, dass die Situation im deutschen Bildungssystem mehr als verfahren ist. Die Bildungsministerin lädt die Ländervertretungen in Sachen Bildung ein, es folgt eine kurze Debatte zu Zuständigkeiten und Art der Einladung, und dann kommt praktisch niemand. Vielleicht war es angesichts des dünnen Programms des Bildungsgipfels auch kein Verlust, und gerade diese Absagen führten zur größeren Debatte: Wie denn dann? Wie schaffen wir es, das Bildungssystem zukunftsfähig aufzustellen?

Bildungssystem in der Krise

Dass es das braucht, scheint gerade Konsens zu werden, was immerhin als Fortschritt gelten kann: Fast 50.000 Schülerinnen und Schüler jedes Jahr ohne Abschluss, Bildungsungerechtigkeit, viele Kinder Geflüchteter neu im System, Corona-Folgen, Lehrkräftemangel, Inklusionsbemühungen am Anfang… die Liste ließe sich beliebig fortführen.

All dies ist den Kultusministerinnen und -ministern natürlich bewusst – und dennoch verharren sie im Mikromanagement und im Verwalten. Ein weiteres Beispiel dafür ist die Reaktion auf die Mahnung des Bundesverfassungsgerichts, das Abitur in seinen Anforderungen stärker aneinander anzugleichen, damit es beim Hochschulzugang nicht zu ungerecht zugeht. Es dauerte 5 Jahre, bis hier ein – wie üblich – kleinster gemeinsamer Nenner gefunden wurde.

Es ist auch nicht so, dass nicht auf Länderebene versucht wird, kreative Lösungen für die oben genannten und weitere Probleme zu finden. Manches bleibt dabei jedoch im typisch deutschen Zuständigkeitswirrwarr hängen: Der Bund gibt Geld für den Digitalpakt (nach Grundgesetzänderung), die Länder zahlen die Lehrkräfte, die Kommunen statten die Schulen aus und stellen das nicht-lehrende Personal. Außerdem sorgen sie für die Administration bei den Digitalpakt-Geldern.

Auch Lehrerverbände wie GEW, Philologenverband und andere bleiben bei ihren Forderungen auf der Mikroebene oder möchten die Schulstrukturdebatte oder die Frage G8/G9 immer neu aufwärmen. Die zentralen Fragen des Bildungssystems bleiben weitgehend unbeantwortet.

Die Einrichtung eines Nationalen Bildungsrats, der länderübergreifend für Qualitätsstandards an Schulen sorgen sollte, scheiterte bereits 2019, also schon in der Zeit vor der Pandemie, am Widerstand der süddeutschen Länder. Diese Einrichtung hätte nicht nur für gemeinsame Standards sorgen können, sondern im Idealfall auch für eine gemeinsame Vorstellung davon, in welche Richtung sich das Bildungssystem entwickeln könnte.

Bildung ist Chefsache

Und nun? Es wird immer deutlicher, dass es einen Befreiungsschlag braucht. Bildung muss zur Chefsache werden – und zwar auf Bundes- wie auf Länderebene. Die bisher Verantwortlichen sind gescheitert, und zwar über viele Jahre. Wie aber könnte dies gelingen? Zunächst einmal durch die Einsicht, dass es während Corona gelang, eine regelmäßige Konsultation aller Länder-Regierungen mit der Bundesregierung, und zwar auf oberster Ebene, einzurichten. Die Bilder der Videokonferenzen der Ministerpräsidentinnen und -präsidenten und der Kanzlerin bzw. später dem Kanzler sind den meisten wohl noch präsent.

Ein Hearing zur Zukunft der Schule

In parlamentarischen Prozessen gibt es ein Mittel, mit dem sich Abgeordnete in den Fachausschüssen beraten lassen. Dabei werden verschiedene Interessengruppen, Sachverständige und Betroffene gehört und man verschafft sich ein gemeinsames Bild. Wie könnte so etwas aussehen?

Der Bundeskanzler und die Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten laden zu einem Bildungsgipfel ein, der über mehrere Tage geht, und zum Ziel hat, 10 gemeinsame Ziele für eine Bildungsvision zu entwickeln. Diese Ziele bilden dann den Rahmen für das bildungspolitische Handeln und werden auf den unteren Ebenen so operationalisiert, dass sie dann innerhalb von 5 Jahren umsetzbar und überprüfbar sind. Eingeladen werden:

  • Direkt Betroffene: Schülerinnen und Schüler, Lehrerinnen und Lehrer, Eltern, Schulleitungen (vorzugsweise solche, die bereits innovativ arbeiten, zum Beispiel in den Preisträgerschulen des Deutschen Schulpreises oder an Brennpunktschulen)
  • Bildungsforscherinnen und -forscher
  • Ideengeber aus Ländern, die das Bildungsystem bereits weiterentwickelt haben (Australien, Kanada, Singapur…)
  • Weitere Interessenverbände, die die Zukunft der Gesellschaft in den Blick nehmen, aus Wirtschaft, Umwelt…

Lernen ist Chefsache

Die Regierungen aus Bund und Ländern zeigen so, dass sie bereit sind, für die erfolgreiche Steuerung des Bildungssystems selbst zu lernen. Oftmals wird ja gesagt, dass wir in Deutschland kein Erkenntnisproblem hätten, sondern ein Umsetzungsproblem (durch die oben genannte Zuständigkeitsblockade). In einem Hearing würde deutlich, dass es durchaus noch Erkenntnisprobleme gibt. In vielen Bereichen haben wir keine Daten, weil Transparenz und Vergleichbarkeit an der Kultushoheit der Länder kratzen würden (als Beispiel sei der Leistungsstand beim Abitur benannt, hier gibt es keine gemeinsame Grundlage).

Steve Jobs wird nachgesagt, dass er seinem ersten iPhone-Entwicklungsteam seinerzeit verbot, Menschen einzustellen, die bereits vorher an einem (Mobil-)Telefon gearbeitet haben, damit die Transformation in diesen Bereich gelingt. Vielleicht brauchen wir es im Bildungssystem nicht ganz so radikal, aber es könnte einen Versuch wert sein: Versuchen wir es für die Vision mal ohne die Kultusministerinnen und Kultusminister.

bookmark_borderOhne Schulentwicklung keine Schule

… schrieb ich für das Mobile Schule Magazin.

Warum?

Zuhören, (re)agieren, sich hinterfragen, und das auf der Basis von Prinzipien: All das braucht eine Schule, die ernstgenommen werden will.

Hier der Link (Seite 48, ganz am Ende des Heftes)

bookmark_borderDie Unsicherheit der Lehrkräfte

Ein Besuch bei der deutschen Bildungsdirektion in Südtirol lieferte spannende Einblicke in die Reformfähigkeit des Systems Schule. Vor dem Besuch hatte ich das Bild, dass Schulen und ihre Lehrkräfte vor allem mehr Freiräume brauchen, dann kann sich sowohl die Einzelschule als auch das System als Ganzes weiterentwickeln. Dies lässt sich aus der Erfahrung in Südtirol so nicht bestätigen. Aber von Beginn an…

Rahmenbedingungen in Südtirol

In Südtirol haben Schulen eine eigene Rechtspersönlichkeit, können also sehr eigenständig handeln und ihr Budget verwalten. Ein zentralisierter Bereich ist jedoch die Personalausstattung. Hier haben die Schulen keine Autonomie. Ein Vorwurf durch die Schulleitungen ist dabei, dass diese Form der Eigenständigkeit zu hoher Verwaltungstätigkeit geführt hat. Wer sehr akribisch alle Anforderungen in diesem Bereich erfüllt, kommt als Leitung zu wenig anderem.

Inklusion ist selbstverständlich. Es gibt eine gemeinsame Schule bis zu Alter von 14 Jahren. Es wird entsprechend differenziert und mit Personal ausgestattet.

Es gibt in der Bildungsdirektion ein „Hashtag-Team“, das Diskussionen und Erkenntnisse, auch aus dem Twitterlehrerzimmer, aufbereitet und in die Fortbildungen einspeist.

Es gibt Rahmenlehrpläne, die wirklich nur einen Rahmen darstellen. Oftmals sind Begriffe wie „Klassenarbeit“, „Prüfung“ o.ä. gar nicht mehr aufgeschrieben und die Schule hat eine sehr große Gestaltungsfreiheit.

Gestaltungsfreiheit als Problem

Und jetzt kommt das Problem: Diese Freiheit schafft in der Praxis (derzeit?) in Südtirol eine große Unsicherheit. Die Freiheiten werden nicht genutzt. „Man“ hält sich auf Schulebene lieber an Althergebrachtem fest. Jetzt könnte man meinen, dass für die Veränderung die Ressourcen fehlen. Dem ist aber anscheinend nicht so. Statt dessen gibt es wohl zunehmend Anfragen aus den Schulen im Stile von: „Gibt mir Ressourcen, damit ich möglichst nichts an meinem Unterricht verändern muss.“ Die aktuellen Herausforderungen und die fehlende Passung der Unterrichtsgestaltung werden gesehen, was auch zu Überforderungserleben führt. Die Bereitschaft, etwas Grundsätzliches daran zu ändern, ist jedoch geringer ausgeprägt.

Woher kommt die Unsicherheit?

Ich habe mir die Frage gestellt, ob es dann an der Zusammensetzung der Kollegien liegt, in denen man es mehrheitlich gewohnt ist, gesagt zu bekommen, was der Rahmen des eigenen Handels ist. Und darauf wird ja auch im Alltag regelmäßig Bezug genommen:

  1. „Ich muss doch Noten machen!“
  2. „Der Bildungsplan sagt doch…“
  3. „Dafür gibt es Nachsitzen, denn §90 Schulgesetz besagt…“

Und gleichzeitig kann man Lehrkräften in dieser Hinsicht vermutlich gar keinen Vorwurf machen. Denn auch Eltern sind strukturkonservativ, erwarten von Schulen, vor allem an den Gymnasien mit dem entsprechenden fachlichen Anspruch, das Arbeiten in bereits bekannten Strukturen. Das Gymnasium lief so gut für sie, hat sie gut auf das Leben vorbereitet. Ihren Kindern kann es also nicht schaden.

Visionen für das System Schule

Einmal mehr frage ich mich: Was braucht es also, um das System Schule wirklich weiterzuentwickeln? Vielleicht muss der Mut zu Veränderung wirklich vorgelebt werden, von den Kultusverwaltungen ausgehend, nicht die Angst vor Anpassungen, vor Reaktionen auf das echte Leben. Dafür braucht es eine gemeinsame Grundhaltung, dass das System, ebenso wie seine Akteure, dauerhaft lernbereit sein muss, um erfolgreich zu sein. Wo – außer in anderen Ländern – kann man Ansätze dazu sehen? Ich hoffe auf Antworten bei der Konferenz Bildung Digitalisierung 2022.

bookmark_borderWie sich Schule wandeln könnte I: Sprachenlernen

Aktuell lerne ich eine Sprache in einer Online-Schule. Ich habe jeden Tag eine Lektion, muss 1x pro Woche ein Video aufnehmen und habe alle 7 Tage 50 min Konversation per Videokonferenz. Dazu gibt es eine Vokabel-App. Ein Bekannter, der mir den Tipp zu dieser Online-Schule gab, berichtete, sich innerhalb von 3 Monaten vom Level A1 auf A2 verbessert zu haben. Die Sprachschule kostet ca. 120,- im Monat, was natürlich nicht wenig ist, aber zu den Kosten später mehr.

Nun ein kleines Gedankenexperiment, das mit Feedback zu meinem Tweet startete. Dieser wurde als Marktdenken aufgefasst und dafür kritisiert. Dabei ging es mir darum gar nicht, wohl aber um die Frage der Qualität der Bildungsangebote.

Sprachenlernen in der Schule

Nehmen wir mal das Beispiel des Französisch-Unterrichts in der Schule (hier könnte auch Englisch, Italienisch, Chinesisch… stehen). Die Kopfpauschale, die den privaten Schulen für Personalkosten zur Verfügung stehen, gibt einen Hinweis darauf, wieviel das Bildungsangebot Sprachunterricht kostet. Gehen wir mal von ca. 6500,- pro Lernendem pro Schuljahr aus. Im G8 gibt es pro Schuljahr ca. 35 Unterrichtsstunden, macht ca. 185,- pro Jahres-Unterrichtsstunde. Für ein 3-4-stündiges Fach stünden demnach ca. 550-750 Euro pro Schuljahr zur Verfügung.

Bildungsgutscheine für Sprachenlernen?

Es ging mir im Ausgangstweet darum, Möglichkeiten zu eruieren, wie das Schulsystem dazu gebracht werden könnte, sich zu bewegen. Eine Variante könnte ja sein, die zu erreichenden sprachlichen Standards festzulegen (bspw. das Niveau B1 am Ende der Mittelstufe), den Weg dorthin aber zu öffnen. So könnte man Bildungsgutscheine (in Höhe von 550-750 Euro) ausgeben, die es den Lernenden ermöglicht, sich ihr eigenes Bildungsangebot zu suchen, das nicht teurer sein darf als das schulische Angebot. So könnte sich jemand entscheiden, den Schultag von Französisch zu entlasten und stattdessen einen Ferienkurs, Abendkurs oder Online-Kurs zu belegen, inklusive Zertifikat am Ende (hier z. B. DELF o.ä.).

Dies könnte die Motivation erhöhen, ein Fach zu „belegen“, das mir nicht liegt, oder aber auch eine Diversifizierung ermöglichen. Eine kleine Schule bietet nur eine zweite Fremdsprache an, belegbar sind aber über die Gutscheine 5-6 verschiedene, z. B. an der VHS oder einem Online-Angebot. Und vielleicht ist ja das schulische Angebot am Ende das interessanteste, und ich habe mich bewusst dafür entschieden…

bookmark_borderCorona-Aufholprogramme sind zu unflexibel

Für das Deutsche Schulportal schrieb ich zur Effektivität der zahlreichen Corona-Aufholprogramme. Kurzfassung: Zu wenig, zu unflexibel:

https://deutsches-schulportal.de/expertenstimmen/warum-corona-aufholprogramme-kaum-wirkung-entfalten-koennen/

bookmark_borderThese: Im (Twitter-) Lehrerzimmer braucht es mehr Medienkompetenz

Wenn man die Diskussion über provokante Artikel im Twitterlehrerzimmer (#twlz) verfolgt, so kann man sich des Gedankens nicht erwehren, dass wesentliche Prinzipien der Medienlandschaft, in der wir uns inzwischen befinden, bestenfalls ignoriert werden, schlimmstenfalls nicht erkannt.

Eine Journalistin des Tagesspiegels schrieb einen Artikel, der Lehrerinnen und Lehrern implizit Faulheit und fehlendes Berufsethos unterstellte. Es war offensichtlich, dass dieser Artikel auf Reichweite ausgelegt war. Warum war das so? Die provokante These war noch vor der Paywall und damit für alle lesbar, und der Zeitpunkt der Veröffentlichung perfekt gewählt: Alle Lehrerinnen und Lehrer haben in den Weihnachtsferien Zeit, sich darüber aufzuregen, und sind dazu einfach auch müde und nervlich belastet durch die Corona-Situation. Und so kam es dann auch: Es entwickelte sich eine Empörungswelle von Lehrerinnen und Lehrern auf Twitter. Teils wurde sehr sachlich eine Gegenposition formuliert, teils heftig ad hominem angegriffen, was die Autorin dazu veranlasste, sämtliche Kritik zu verwerfen und nur eine einzige Gegendarstellung als legitim zu bewerten.

Mich ärgerte an dem ganzen Prozess vor allem, dass diese einfache Methode zur Erzielung von Aufmerksamkeit immer noch wirkt (vermutlich erwarte ich ein zu schnelles gesellschaftliches Lernen, mea culpa). Dies versuchte ich in einen Tweet zu fassen.

Was noch spannender war: In der Folge fühlten sich einige Protagonisten des Twitterlehrerzimmers anscheinend angegriffen, weil ich darauf hinwies, dass mit dem Reagieren die Verbreitung solcher Artikel erst richtig gelingt. Ich hatte zu dem Zeitpunkt keine der Reaktionen wirklich gelesen, nur die Stimmung im #twlz wahrgenommen. Diese Protagonisten nahmen für sich in Anspruch, in ihrer Rolle als Blogger oder öffentlichkeitswirksame Influencer eine Gegenposition zu schreiben, weil diese Position viele Menschen teilten und dies eben das sei, was sie täten.

Das dürfen sie. Und gleichzeitig darf ich darauf hinweisen, dass manche Influencer Empörungswellen gezielt für ihre Zwecke zu nutzen wissen, bzw. diese gezielt anfeuern, um Reichweite zu erzielen. Dies klar zu benennen ist nicht populär, und natürlich kann man mir ebenfalls vorwerfen, über diese Art der Metakritik nur für Aufmerksamkeit sorgen zu wollen, weil ich ja ebenfalls in Social Media präsent bin (zur Stunde habe ich seit dem Tweet eher Follower verloren, was mir herzlich egal ist).

Für mich ist Social Media (konkret: Twitter) ein fantastisches Vernetzungsinstrument, mit Inspiration (weit über den Schulbereich hinaus). Für andere wiederum ist es eine Erweiterung des Lehrerzimmers mit allen positiven und negativen Effekten. Wieder anderen dient es als Geschäftsmodell bzw. zur bloßen Selbstdarstellung. Natürlich sind diese Erscheinungsformen nicht trennscharf.

Diese verschiedenen Erscheinungsformen und Hauptzwecke unterscheiden zu lernen, und zwar im Zweifel nicht von Person zu Person, sondern von Tweet zu Tweet, darin sehe ich ich die notwendige Medienkompetenz – im Twitterlehrerzimmer, aber auch darüber hinaus.